Samstag, 8. Dezember 2018

Weihnachtsmärchen

Keine Ahnung, wie oft ich den Nussknacker als Ballett schon gesehen habe. Oft. Nicht alle Jahre wieder, aber jedes zweite oder jedes dritte Jahr doch. Vielleicht war der Ballettmeister des Theater Vorpommern, Ralf Dörnen, auch der Meinung, es reicht mit dem Nussknacker. Etwas neues muss her. Und hat sich hingesetzt und ein neues Ballett choreografiert: Weihnachten - das Ballett. Und wie fast immer ist es gelungen. Maria durch ein Dornwald ging, Es ist ein Ros entsprungen, die alt bekannten Weihnachslieder, dazu sowohl Pas de deux von Maria und dem Engel als auch von Maria und Josef. Ganz intensiv wird Weihnachten, der Ursprung von Weihnachten, als eine Paargeachichte, als eine Beziehungsgeschichte deutlich. Weihnachten wird immer als die Geburt Jesu gefeiert. Dass dem eine Beziehung zugrunde liegen muss, eine zwischen Gott und den Menschen, eine zwischen Maria  und Josef, eine zwischen Maria und dem Engel und auch zwischen Josef und dem Engel, dass wird in den getanzten Bildern so greifbar, sichtbar. Berührend.
Und dann wechselt die Szenerie, moderne Weihnachtssongs. Ein Weihnachtsmännerballett, bei dem ich nur vergnügt grinse. Wenn es nicht so virtuos getanzt wäre, könnte es bei jeder Weihnachtsparodie auf'm Dorf aufgeführt werden. Vier Weihnachtsmänner, vier Einkaufswagen voll mit Geschenken. Luftsprünge, ein Kreisen mit den Wagen zur Musik. Und dann die blonde Schöne in dem grünen Glitzerkleid. Es gibt genug Lieder, in denen die Rede davon ist, Santa Claus zu vernaschen. Feinster Sexismus, mal mit anderen Rollen. Ich werde immer wieder an Videoclips erinnert. Pro Lied eine kurze Geschichte getanzt. Doch dann kommt der Bolero von Ravel. Und dazu entfaltet sich das Desaster einer Familienfeier zu Weihnachten. Ich habe das Stück noch nie mit diesen Augen gesehen. Doch ich weiss nicht, ob ich es je wieder mit anderen Augen sehen kann. Es ist, als wäre der Bolero nur für diesen Zweck geschrieben worden, eine eskalierende Familien-Weihnachtsfeier zu orchestieren.
Nach der Pause geht es so intensiv weiter. Dörnen hat das alte Engel-Ballett mit dem neuen Ensemble wieder aufgenommen. Die Musik ist moderne Klassik und tut manches Mal in den Ohren weh. Die Engel sind wunderschön anzuschauen. Und doch wirken sie grausam, wirken sie entrückt. Ich habe vor ein paar Wochen ein Buch gelesen. Rückkehr der Engel von Marah Woolf. Gruselig. Die Engel sind zurück auf der Erde und haben keine Empathie, keine Freundlichkeit für die Menschen in sich. Daran erinnert mich dieses Ballett so sehr, dass ich schaudere.
Danach gibt es wieder getanzte Videoclips zu modernen Weihnachtslieder. Leider, leider ist Last Christmas von Wham nicht dabei. Dann wird es noch einmal intensiv und romatisch und modern. Wie auch immer. Zwei Schneemänner, bzw. ein Schneemann und eine Schneefrau, mit einem Schneeflockenkind. Vielen weiteren Schneeflocken. Familiendynamiken in Schneeform. Erwachsen werden in emotionaler Entwicklung. Und gleichzeitig leicht und luftig anzugucken wie ein Ballett für Kinder. Ich gehe schwebend raus aus dieser Aufführung und weiß wieder, warum ich Ballett so liebe.

Die Weihnachtsmänner mit ihren Einkaufswagen voll Paketen haben einige ihrer Päckchen ins Publikum geworfen. Eines davon ist bei mir gelandet. Neben Schoko und Nüssen enthielt die beiden Fotos: