Sonntag, 20. September 2020

Sonntagsfahrer

Letztes Wochenende hatte ich Fortbildung im ZEGG in Bad Belzig, die kommende Woche habe ich Weiterbildung in der Oberpfalz. Jedesmal am Freitag und am Sonntag auf der A10 Berliner Ring stehe ich im S.T.A.U. Erhöhtes Verkehrsaufkommen sowieso, und am Sonntag sind noch mehr Leute aka Autos unterwegs als freitags. Also an jeder Baustelle Stau und auf jeder Fahrt einmal so ein Monsterstau von anderthalb Stunden.



Letzten Sonntag bin ich entnervt von der Autobahn abgebogen und war in der Havel baden, bei Phöben. Da wollte ich immer schon mal gucken und das Ortsschild fotografieren, weil mein Patenkind Phöbe heißt. 



Heute war ich wieder baden in der Havel, diesmal in Ketzin. So kann frau sich die Wartezeit an der Fähre versüssen. Und braucht genauso lange wie im Stau auf der Autobahn, nur macht es viel viel mehr Spaß. 






Montag, 7. September 2020

Das Rentier in der Küche

Corona hat mir nun mal einen Strich durch meine Rechnung drei Monate Sabbatical in Russland gemacht. Doch aufgehoben ist nicht aufgeschoben, die meisten Bausteine konnte ich ins nächste Jahr schieben. So interessiert mich die Lesung „Das Rentier in der Küche“ mit Britta Wulf im Stadtmuseum Bergen sofort. Coronagerecht im Garten. 
Sie berichtet über ihre Reisen an den Baikal-See, im Sommer wie im Winter. Erst recht interessiert bin ich, als ich in der Ankündigung lese: eine deutsch-sibirische Liebe. Für mich als bekennende Liebesroman-Leserin ein zusätzliches Bonbon. Sibirien, Baikalsee, Abenteuer und Liebe. Und ich werde nicht enttäuscht. Vor Jahr und Tag hatte ich ein Buch geschenkt bekommen, da ging es auch um eine Reise an den Baikal-See, aus der dann  über die Jahre mehrere Reisen wurden. Aber die Autorin , Petra Büschelberger, hat sich über das Zwischenmenschliche sehr bedeckt gehalten. 

Bereits die Einleitung der Lesung lässt mich aufhorchen. Britta Wolf ist Redakteurin, Filmemacherin beim rbb, ihre Spezialität sind Minderheiten. Und so ist der Kontakt zustande gekommen, weil sie einen Film zu den Ewenken gemacht hat. Das stand nicht in dem Werbeflyer.
Was in der Einladung auch nicht steht, ist, dass ihr Anatoli, ihre deutsch-sibirische Liebe, Ewenke ist. Ein noch größeres Bonbon also. Beziehung/Gefühle und Ewenken.  Seit ich in der Schule von Ewenken, Ewenen, Nenzen, Nanten, Tschuktschen erfahren habe, bin ich fasziniert davon. Auch wenn mir sonnenklar ist, dass die ethnologischen Filme und Bilder, die ich kenne, heute nicht mehr gültig sind.  19. Jahrhundert ist hier wie dort vorbei. Heute leben all die russischen Minderheiten meist in Siedlungen städtischen Typs (wie der amtliche Terminus ist für Dörfer, in deren Umfeld nichts Größeres ist, die daher Schule und Krankenhaus haben). Dennoch zieht es mich dahin,  möchte ich dorthin reisen, Leute kennenlernen, den Alltag erleben. Davon liest Britta Wulf, zeigt Bilder. Ich bin hin und weg, meine Reisesehnsucht blüht wieder voll auf.

Manches Mal bin ich den Tränen nah, weil sie so persönlich und authentisch schreibt und erzählt. Zweimal hat sie eine Szene ausgewählt, in der ihr Freund sie einfach nur im Arm hält. Die Gefühle, die da fließen, die sie mit diesen beiden Szenen beschreibt, sind große Gefühle, liebevolle, starke Gefühle, auch wenn sie das L-Wort vermeidet. Auch da blüht eine Sehnsucht in mir auf, merke ich.
Ich schreibe im Blog bisher nicht über Beziehung, Liebesgefühle. Dabei erlebe ich da auch einiges. Vielleicht sollte ich meine strikte Selbstzensur in diesem Bereich nochmal überdenken.

Ich habe mir beide Bücher von Britta Wulf gekauft, nicht nur „Das Rentier in der Küche“. Das zweite heißt „..und der Schamane lacht“. Vielleicht muss ich auch meine Selbstzensur im Blog für den Bereich Schamanismus und Spiritualität überdenken. Aber vor allem muss ich mir Zeit nehmen, die beiden Bücher zu lesen. Übermorgen vielleicht.


Sonntag, 6. September 2020

Hot Stuff

Oma erzählt vom Krieg. So komme ich mir oft vor, wenn ich von meiner Jugend erzähle. Soviel hat sich geändert, sovieles von dem, was in den 80igern neu war, gibt es schon gar nicht mehr. Damals ...

Insofern kommt mir die Ausstellung Hot Stuff im Helmsmuseum in Hamburg-Harburg gerade recht. Die Kollegen haben eine Archäologie der Sachkultur der 70er bis 90er gemacht. Ich bestaune die Entwicklung der Handys, erinnere mich mit Grauen an den Nadeldrucker. Lost sounds heißt ein Ausstellungsteil, doch um das Geräusch des Nadeldruckers tut es mir nicht leid. Doch Schreibmaschinen hört man heutzutage auch nicht mehr....

Ich treffe längst vergessene geliebte Gegenstände, die damals Hot Stuff waren, Must haves. Ghettoblaster, Walkman, elektrische Schreibmaschine. Aber auch ein Münzfernsprecher, ein altmodisches Telefon mit Wählscheibe, Hörer, Gabel und Kabel. Lang lang ist es her, 20-30 Jahre, mehr nicht. Verschwunden aus dem Alltag. Die Inszenierung von Kinderzimmer, Wohnzimmer und Büro aus der Zeit, genauso wie die Atari-Spielkonsolen stimmen mich nostalgisch.

Kind 2 guckt die Serie 1983. Mama, warst du damals (1979) bei der Demo im Bonner Hofgarten dabei? Ja, war ich. Und diese und jene Freunde waren auf den Anti-AKW-Demos, jener gehörte zu den Hausbesetzern. Oma erzählt vom Krieg ...






Der Vorläufer der BOOM-Box, ein Ghetto-Blaster. Damit konnte man genauso eine Party im Freien schmeißen 😀.

Ein Walkman! Musik für unterwegs auf die Ohren per Kassette. Meiner war blau.

Was war ich damals stolz auf diese, meine erste elektrische Schreibmaschine!
Der Kaugummi-Automat war hingegen in meiner Jugend schon alt.

Ich ziehe mir prompt eine rosa Kaugummi-Kugel, die scheußlich schmeckt.

Egal - das Erlebnis zählt.




Mahlers in Rostock

Die Kunsthalle in Rostock hat ein geniales System. Wer eine Karte für eine Ausstellung erwirbt, kann so oft gewollt nochmals in die Ausstellung gehen. Die Eintrittskarte gilt bis zum Ende der Ausstellung.

Im Februar konnte ich mir die Ausstellung „Ute Mahler & GerhardMahler. Werkschau" nur kurz angucken, denn Hauptpunkt des Abends war der Arte-Film Deutschland 2019. Doch damals schon war ich beeindruckt von der Vielfalt des Ouevres der beiden, jede*r einzeln für sich und gemeinsam.

Jetzt habe ich den ganzen Sonntagnachmittag Zeit, um 17 Uhr schließt das Haus. Und so streife ich durch die Bilder, lasse mich treiben, vertiefe mich in Wandbilder, Waldbilder, Weltbilder.
An diesem Nachmittag sagen mir Bilder so viel mehr als Worte.



Nun habe ich keine vertiefte Ahnung, wie genau die Rechtslage ist, Fotos von Fotos aus der Ausstellung ins Internet zu setzen. Daher habe ich mir die Mühe gemacht, die Links direkt zu einzelnen Bilder von der Website der Ostkreuz-Agentur zu setzen, und meine Kommentare dazu. Die Bilder direkt hier hochzuladen IST illegal 😀.

Manche ihrer Bilder sind mir längst eingebrannt in mein Bildergedächtnis:
Der Überfall auf den Sonnenhof in Lichtenhagen, Rostock 1992
Der Tanz auf der Mauer, Berlin 1989

Aus der Serie Die seltsamen Tage hauen mich gleich zwei Bilder um: Ein zukünftiger Wald (Bild 3)  wie eine Grafik und ein Foto eines Wandgemäldes (Bild 11) wie gemalt.
Die Serien Mona Lisen der Vorstädte , Kleinstadt bleiben genauso haften wie die Serien Brüder und Schwestern in Ost und West. Aber auch die Modefotos, die Alltagsfotos. Die beiden haben es einfach drauf, aussagestarke Fotos zu machen. Klickt euch einfach mal durch die Links. Und guckt euch auch die anderen grandiosen Fotograf*innen der Ostkreuz-Agentur an.

Meet again

Was habe ich gelitten in der Corona-Zeit. Keine Kulturveranstaltungen mehr. Klar weiß ich, dass ich Geisteswissenschaftlerin, Kulturwissenschaftlerin bin, weiß ich um meine Interessen in Musik, Theater, Kino, Ausstellungen, Kunst, Kultur. Aber WIE SEHR diese Interessen mein Alltags-Freizeitleben prägen, war mir in der Tiefe nicht klar. Und auch nicht, wieviel Geld ich pro Monat dafür ausgebe. Ich habe ein hübsches Sümmchen gespart in den drei Monaten kulturhungern. Klar habe ich mir auf Arte Autokino-Konzerte angeguckt, klassische E-Musik wie klassische U-Musik-Konzerte im Netz geguckhört. Habe Online-Filmfestivals besucht.  Aber es ist definitiv nicht das Gleiche (und erst recht nicht dasselbe). Der Geruch, das Feeling, die anderen Leute, das fehlt. Die Konzentration auf den Event, auf das Erleben im Hier und Jetzt.

Insofern habe ich, sobald es ab Mitte Juli möglich war, wieder Konzerte besucht, war im Theater, im Kino, in Ausstellungen, auf einer Lesung. Meet again. Für viele Künstler*innen war „mein“ Konzert ihr erstes nach dem Corona-Lockdown. Alle haben immer wieder betont, wie schön es ist, wieder vor Publikum zu spielen. Es scheint, nicht nur ich habe allein zuhause gelitten und fand die virtuellen Angebote nur notwendige, tolerierte Magerkost. Meet again, mit gemeinsam Lachen, Riechen, Ambiente spüren.


Hofkonzert: Joanna Gemma Auguri

Balladen satt: Die Zöllner

Tanzen verboten: Konzert im Cafe Wunderbar, Bad Sülze

Entzug beendet: Folkkonzert in der Jakobikirche



Hofkonzert

August heißt Hofkonzert in Friedrichshof. Meistens klassische Musik von Leuten vom Gewandhausorchester aus Leipzig, die dort Urlaub machen. Diesmal verbringt eine Berliner Musikerin ein Wochenende in Friedrichshof, von daher gibt es Dark Folk. Sind die Konzerte sonst halb öffentlich, ist coronabedingt nur der engere und weitere Freundes- und Bekanntenkreis eingeladen.
Hofkonzert in Friedrichshof ist für mich immer ein Heimspiel. Ich habe lange Jahre dort im Gutshaus gewohnt, jetzt komme ich eigentlich nur noch für Feste zu Besuch. Gefühlt kenne ich bis auf die Künstlerin jeden der knapp 50 Menschen. auf dem Fest. Der Hausherr hat Joanna Gemma Auguri letztes Jahr auf einem Konzert in der Region kennen gelernt, und sie zum Hofkonzert eingeladen.

Die Einladung überfliege ich nur. Das Geschwurbel über die Musik finde ich wie immer gruselig, keinen Deut besser als das Geschwurbel zu Moderner Kunst auf einer Vernissage. Dark Folk heißt für mich schwermütige Folkmusik mit viel Moll, fertig. Fakten sind mir da wichtiger, Datum. Uhrzeit, Ort. Und so finde ich mich rechtzeitig in Friedrichshof ein, freue mich, viele bekannte Leute wieder zusehen.
Konzerte im Freien sind tricky, das kann jeder Straßenmusiker und jede Straßenmusikerin bestätigen. Die Stimme laut und klar über den Klang des Instruments hörbar zu machen gelingt beim zweiten Lied. Die Geschichten, die Joanna Gemma Auguri mit ihrem Reiseakkordeon erzählt, lassen in meinem Kopf Bilder entstehen, lassen mich die Farben Neuseelands sehen, die sie besingt.
Einige Lieder kommen mir bekannt vor, was kein Wunder ist, da Joanna Gemma Auguri Mitglied bei Poems for Leila ist. Auch die fröhlichen Lieder sind eher getragen, was zu meiner Stimmung an diesem Abend passt.

Bis spät in die Nacht sitze ich am Lagerfeuer und erzähle mit Menschen, die ich teilweise Jahre nicht mehr gesehen habe. Ein schönes Konzert und ein schöner Abend.






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