Sonntag, 30. Juli 2017

Mein Thermomix ist online

Ich dachte ja, der Hype um den Thermomix ist vorbei. Aber weit gefehlt. Im Prinzip ist es wie mit Tupperware. Das Zeug ist gut, von daher hält es sich trotz Preis am Markt. Wer sich mit leckenden Eisdosen in der Badetasche, sich selbst spontan öffnenden Deckeln in irgendeinem Weiden-Picknick-Korb herum geschlagen hat, kehrt friedlich zu den dicht schließenden Produkten von Tupper zurück. An diverse Spontanentleerungen in Schulranzen will ich jetzt gar nicht weiter erinnern.
Ich habe mindestens zwei enge Freundinnen, die bei jedem Besuch von ihrem Thermomix schwärmen. So auch meine Freundin Ute in Leverkusen. Ihr Thermomix ist online. Ute ist diejenige meiner Freundinnen, die moderne Kommunikationsmedien inhaliert wie andere Leute Meeresluft. Sie war in meinem Freundeskreis die erste mit Smartphone, die erste bei Facebook, die erste mit Whatsapp. Alles was Vernetzung und Kommunikation betrifft, erschließt sich ihr intuitiv. Und jetzt ist ihr Thermomix online. Ich grinse dreckig. Aber das habe ich auch schon bei Facebook und Whatsapp. Nur um mich kleinlaut 1-2 Jahre später auch bei Facebook und Whatsapp anzumelden.

Utes Thermomix ist online. Dazu muss man wissen, ich koche zuhause noch auf einem Herd mit vier Platten. Kein Ceranfeld, kein Induktionsherd. Ich habe zwei Equipments für draußen kochen, einen vielgenutzten Trangiakocher und - deutlich weniger genutzt - ein Dreibein mit Töpfen für das Kochen am Lagerfeuer. Ein Thermomix rangiert bei mir technisch und für mein persönliches Leben kurz hinter Mondrakete. Ute kocht, bäckt, macht ein mit ihrem Thermomix. Die Ergebnisse sind alle köstlich. Um nicht zu sagen legendär lecker. Vermutlich knicke ich auch da in ein, zwei Jahren ein. Meine Erfahrung spricht jedenfalls dafür.

Mittwoch, 26. Juli 2017

Suchtstrukturen

Unter den Prämissen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bin ich relativ drogenfrei. Ich süppel zuviel Kaffee, aber Alkohol und Rauchen geht an mir vorbei, härtere Drogen sowieso. Wo ich aber hochgradig suchtgefährdet bin, sind Bücher, Bücher, Bücher. Nicht irgendwas, sondern Fantasy und Liebesromane. Und jeweils fast das ganze Sepktrum von High Fantasy über Science Fantasy, Contemporary bis hin zu Urban Fantasy. Sprich: ich mag fast alle Romaen, die mit Zauberei und Magie zu tun haben. Wie in jedem Genre gibt es bessere und schlechtere Bücher, intelligenter erzählte Geschichten, neue und überraschende Wendungen und Welten. Das gleiche gilt für Liebesromane. Romance Books reichen von Historischen Romanen mit den Regency Romanen über Vampir- und Werwolfgeschichten bis hin zu was weiss ich.
Und einen Schiss auf die Unterscheidung von Trivialliteratur und Hochkultur.
Ich fand Shades of Grey auch deswegen so doof und lahm, weil ich schon härtere und deutlich besser geschriebene Sexszenen in Liebesromanen gelesen habe. Und es gibt immer wieder neue Geschichten. Wie entwickelt sich eine Paar-Beziehung, wenn der Held den sexuellen Mißbrauch erlebt hat. Wunderbar auch die Analyse meiner Author Lords, Ilona Andrews zu Alphaholes, möglichen männlichen Rollenbildern in Liebesromanen, und den Grenzen zu Gewalt und Mißbrauch.
Dabei schweife ich ab. Meine Sucht wurde heute aufs Schlimmste getriggert: Als ich heute morgen meine Mailbox öffne, ist darin die lapidare Äusserung: Your book is delivered. Übersetzt ins Ganze: Auf meinem Kindl-Account ist das neue Buch meiner Author Lords angekommen. Im Augenblick schreiben sie an einer Reihe namens Hidden Legacy. Ich habe Band 2 im Mai schon verschlungen, mir aber den 27. Juli als Erscheinungstermin für Band 3 gemerkt. Zum Glück hatte ich heute Abend gar überhaupt nichts vor (Staubsaugen, Wäsche zusammenlegen, Küche putzen, all so was kann warten, schließlich habe ich mir Donnerstag Abend frei gehalten). Und bin glückselig versunken im Lesen. Das Schöne an Serien ist ja, dass die Hauptfiguren sich Stück um Stück entfalten können, und ziemlich komplex angelegt sein können. Und das noch Schönere an Ilona Andrews Büchern ist, dass die Serien weiter gehen über das Zusammenkommen der Paare hinaus, dass sie die Schwierigkeiten und Probleme des Zusammenlebens, des Aneinander Reibens und Miteinander Wachsens als Paar im Alltag einfach so thematisiert und beschreibt. Nicht HEA (Happily Ever After), sondern ziemlich normal. Und witzig. Im Blog haben sie eigentlich angekündigt, dass die Reihe auf drei Bände angelegt sind. Die Schlussszene ist aber ein derartiger Cliffhanger. Da muss nochmal was kommen. Allein die ganzen Kommentare und Diskussionen im Blog zu lesen macht Spass.

Samstag, 22. Juli 2017

Tag 21 Hildesheim
Auf der Rückfahrt nehme ich noch eine Station Weltkulturerbe mit. Hildesheim mit Dom, dem berühmten Rosenstock und St. Michaelis. Ich glaube, ich bin  im Studium schon mal hier gewesen, manches kommt mir bekannt vor, so der Kronleuchter und die Tür. Was ich erst diesmal zutiefst realisiere, ist die Kriegszerstöung von Hildesheim.  Die Kirchen sind so rein in ihrer Ausstattung, weil nur das wichtigste Kulturgut eingelagert war. Beim Wiederaufbau konnte man sich beschränken auf die älteste Schicht. Das macht den Rosenstock um so bedeutsamer, der unter dem Bombenschutt überlebt hat. Welch ein Zeichen von Lebendigkeit und Hoffnung.



Genie Gropius

Tag 20 Fagus-Werke in Alfeld
Bauhaus-Bauten habe ich mir auf meiner Reise ja einige angeguckt. Ich mag den Baustil, er gefällt mir. In Alfeld sehe ich ihn in Reinkultur. Als ganz junger Mann, 1911, weit vor dem eigentlichen Bauhaus, hat Walter Gropius einen Bauherrn gefunden, der seine Ideen mittrug. Und so ist dieses frühe Meisterwerk entstanden. Was mich besonders freut, ist, dass die Fabrik bis heute funktioniert und produziert. Das Design ist so durchdacht, dass bis heute darin gearbeitet wird. Ich sitze in der Werkskantine, schaue durch die hellen Fenster nach draußen und genieße das gute Essen.  Benscheidt, der Bauherr, der Firmenpatriarch, war der Meinung, dass die Menschen, die Mitarbeiter*innen, das eigentliche Kapital seiner Firma sind. Das sehen seine Erben, die heute den Betrieb führen, auch noch so. Und so gibt es in dem über 100 Jahre Gebäude modernes, günstiges, köstliches Essen für die Belegschaft.
Wer sich einen schnellen Eindruck von den Fagus-Werken verschaffen will: sie liegen direkt an der Bahnstrecke von Hannover nach Göttingen, man kann sie vom Zug aus sehen.




Mittwoch, 19. Juli 2017

Lieblingslied

Tag 19 Kloster Corvey
Nicht alle Entscheidungen des UNESCO- Weltkulturerbe-Komitees kann ich nachvollziehen. Kloster Corvey ist so eine. Unter Schutz steht das Westwerk und die civitas corvey. Je nun. Das Westwerk ist der mickrige Rest der karolingischen Kirche. Das meiste ist eine prunkige Barock-Kirche. Und vom Benediktiner-Kloster ist ein Hauch vom Kreuzgang noch erhalten. Der Rest ist schickes, bewohntes Schloß mit Ausstellungsräumen aus dem Biedermeier und dem Klassizismus. Auch die Bibliothek reißt es diesmal nicht raus. Trotz der wirklich beeindruckenden Ausstellung zu Prunk- und Bildbänden mit Fauna und Flora der Goethezeit. Das Originalwerk von Redoute mit seinen berühmten Rosenzeichnungen. Eine Abbildung der "Gemeinen süssen Pommeranze", all solche Schmankerl wärmen mein Herz. Meine Augen fangen erst richtig an zu leuchten, als mir klar wird, wer da in Corvey Bibliothekar war. Der Dichter von einem meiner Lieblingslieder, ihr wisst schon, das mit "Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand". Junker Jörg sass auf der Wartburg, Hoffmann von Fallersleben in der Bibliothek von Corvey.








Industriekultur

Tag 18 Zeche Zollverein in Essen

Völklinger Hütte hatte mir ja gar nicht gefallen. Dabei ist die Idee, eines der größten Stahlindustrie-Relikte unter Schutz zu stellen, schon sinnvoll. Zeche Zollverein zeigt nun die Vorarbeit. Um Stahl herstellen zu können, braucht es Kohle. Nur verkokte Kohle ist in der Lage, die notwendigen hohen Temperaturen zu liefern. Und die Förderung von Steinkohle und die zugehörigen Arbeitsprozesse zur Verkokung sind in dieser riesigen Anlage dargestellt. Nein, es stinkt nicht mehr nach Maschinenöl, und ja, die heutige Nutzung ist richtig durchdacht. Gastronomie, zuätzliche Angebote, Vermietung an Firmen, weitere Ausstellungen. Die Ausstellung zur Reformation im Ruhrpott bzw. zur religiösen Vielfalt heute ist didaktisch und ausstellungstechnisch auf der Höhe der Zeit. Ich freue mich über das Exemplar der Schlangenbrut. Selbst erlebte Geschichte museal. Denn nur vom Mythos Weltkulturerbe kommen nicht genug Besucher und ist das Areal nicht genug mit Leben gefüllt. In der Zeche Zollverein stimmt das Gesamtpaket.  Und so gehen wir nicht ins Red dot Design Museum, sondern schwimmen im Werksschwimmbad.



Gartenlust

Tag 17 Brühl
Montag in Deutschland bedeutet in der Regel: Museum geschlossen. Das gilt auch für Weltkulturerbe. Weil aber für Schlösser noch mehr als für Klöster der Satz "Kennst du eines, kennst du alle" gilt, kratzt es mich nicht besonders. Sehe ich Schloß Augustusburg von aussen mit seiner Gliederung, den Fensterleibungen, der Verzierung, da kann ich mir das Parkett, die Wandbespannung, die Spiegel, die Möbel sofort vorstellen. Für Gärten und Parks gilt der Spruch natürlich gar überhaupt nicht. Jeder englische Landschaftsgarten, jeder französische Barockpark sieht immer immer anders aus. Mal sind die Bosquetten rechts geschwungen, mal die Broderien so und mal anders bepflanzt.



 Im Weltkulturerbe Schlösser und Gärten Brühl hat der Park für mich die Hauptrolle. Ich schwelge in Gartenbildern. Meine Mitreisende ist an diesem Tag meine Mutter und sie hat Picknick mitgebracht.  So sitzen wir im Schatten unter den Bäumen und lassen es uns gut gehen.

Traumpfade an der Mosel

Tage 15 und 16
Deutschland besteht ja nun aus deutlich mehr als nur Weltkulturerbe. Wir haben ganz viele wunderschöne Naturlandschaften. Die einfach da sind, ohne besondere Auszeichnung. So ist es mit der Mosel. Trier ist Weltkulturerbe, aber das kenne ich schon vom Studium. Stattdessen treffe ich mich mit einer meiner ältesten Freundinnen, die ich noch aus der Schule kenne. Als wir 15 waren, wollten wir gemeinsam eine Fahrradtour machen. Das haben meine Eltern damals als zu gefährlich eingestuft, wir zwei wilden Weiber allein unterwegs und es verboten.  Jetzt sind wir groß, unsere Kinder auch, so dass wir wieder Zeit und Muße für schräge Aktionen haben. Wandern an der Mosel. Allein die Diskussion über den Übernachtungsort löst Erinnerungen aus. In der 9. Klasse waren wir an der Ahr und der Klassen- und Lateinlehrer hat jedem Mädchen aus der Klasse ein Glas Rotwein ausgegeben... Also wünsche ich mir ein Weingut als Basisstation für die geplante Wanderung.  Doris will Burgen sehen, und so landen wir im Weingut Fries in Kattenes. Samstag um 11 Uhr beginnen wir erstmal mit einem Kaffee und jeder Menge quatschen. Erster Plan ist mit dem Schiffchen über die Mosel zu schippern. Nach einer Turbo-Befüllung mit Schnitzel, Pommes rot-weiss und einer Flasche Riesling (40 Min. von bestellen bis aufstehen) stellt sich heraus, die Goldstück ist in Cochem und kommt erst morgen wieder am Anleger in Löf vorbei. Auf zum Alternativ-Programm: auf der gegenüberliegenden Moselseite thront die Burg Thurand.
 Unter weiterem Quatschen tappern wir den Berg hoch und sind oben begeistert von Burg und Blick über die Mosel. Die eine Hälfte gehörte nach Trier, die andere nach Mainz und beide Fürstbischöfe haben sich einen ordentlichen Turm gebaut, von dem wir übers Land gucken können. Unten in unserem Weinhaus wieder angekommen, wollen wir uns eigentlich frisch machen.  Und wie das mit dem eigentlich so ist, wir quatschen uns fest, leeren vor, bei und nach dem Abendessen zwei Flaschen Riesling des Hauses und reden und reden und reden. Am nächsten Tag steht eine richtige Wanderung zu einer richtigen Burg an. 12 Kilometer über Traumpfade zur Burg Eltz.
Wer es noch erinnert, das war die Burg auf dem 500 DM Schein. Bisher dachte ich ja, Traumpfade, dreamlines, gäbe es nur in Australien.  Weit gefehlt, die Tourismus-Industrie hat zig Pfade an Mosel und Rhein zu Traumpfaden ernannt. Und ich gebe zu, die Tour ist wirklich schön. Wir gehen sie gegen den Uhrzeigersinn. Zum einen sind wir dann nicht im Pulk, zum anderen haben wir, wie sich dann herausstellt, ein ganz fieses Stück Schotterstrecke abwärts. Auf der anderen Seite aufwärts ist deutlich leichter zu begehen, auch wenn es sich ewig zieht. Was am ersten Tag schon sichtbar war, zeigt sich auch am zweiten Tag: wir sind ein gutes Wanderteam, auch wenn ich deutlich schlapper bin als Doris. Beim Wein am Abend schmieden wir Pläne.  Wir sind beide schon den Jakobsweg gelaufen,  waren in Santiago de Compostela. Was uns jetzt noch anprickelt, wäre eine Alpenüberquerung. Mal schaun.

Montag, 17. Juli 2017

Völklinger Hütte

Tag 14
Völklinger Hütte.  Ich kann es nur verreissen, dieses Weltkulturerbe. Es hat mir gar überhaupt nicht gefallen. Ich kann erkennen, warum es unter Schutz gestellt wurde. Aber für mich ist es so schlecht erschlossen, dass ich die Informationen, die ich bräuchte, nicht finde. Das geht besser.

Französisches Weltkulturerbe

Tag 13 Straßburg
Nun gibt es Weltkulturerbe nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.  Und von Baden-Baden aus liegt Straßburg sozusagen um die Ecke.  Besonders angeprickelt hat mich die Tatsache, dass in Straßburg auch, wie in Stralsund, die ganze Altstadt Weltkulturerbe ist. Und das Wasser, die Ill und der Rhein. Danach hatte ich dann auch mein Programm gestrickt. Mit der Tram über den Rhein, Münster mit astronomischer Uhr und Turmbesteigung, ein bisschen durch die Altstadt daddeln, und dann Boot fahren. Was ich alles auch gemacht habe. Nur viel viel länger als gedacht. Das Straßburger Münster hat innen ganz viele florale Steinkapitelle, so wie Naumburg oder Doberan. Ich bin fast zweimal in der Kirche rundum gegangen und habe - leider ohne mein Blumen-Bestimmungsbuch - versucht, die ganzen Pflanzen zu erkennen. Oben auf dem Turm des Münsters sind Steintische und -bänke, wo ich mit Blick über die Stadt ausgiebig Pause gemacht habe. Manchmal habe ich Städte in denen ich mich spontan zuhause fühle. Straßburg ist so eine.
Durch das Reformationsjubiläum war ich ja nun sensibilisiert. In Wittenberg gab es immer wieder Hinweise auf Straßburg.  Und so war es auch spannend, evangelische Spuren zu finden.
Straßburg hat echt Flair und ist eine Reise wert. Die funkelnagelneue Erweiterung des Weltkulturerbe-Bereichs in die wilhelminische Neustadt werde ich mir beim nächsten Mal angucken. 

Wasserwirtschaft der Zisterzienser

Tag 12 Kloster Maulbronn
Kennst du eines, kennst du alle. Ziesterzienser-Klöster haben, wie eigentlich alle Klöster, sowas wie einen genormten Bauplan, der dann an den jeweiligen Bauplatz angepasst wird. Nur sind normalerweise nur noch Bruchteile all der Gebäude erhalten. Kirche und Kreuzgang sind so das übliche. In Maulbronn ist alles erhalten. Alles!!! Die gesamten Wirtschaftsgebäude und im Umfeld einige der Teiche und Seen, Gräben und Bachläufe, welche die Mönche damals angelegt haben. Ziesterzienser heisst "ora et labora" und heisst ebenso Konversen, also Menschen, die keine Mönche sind, aber ein klösterliches Leben mitleben. Dafür braucht es Gebäude, bauliche Gegebenheiten für beide getrennt. Alles noch da in Maulbronn. Trotz Reformation, trotz Umnutzung als evangelisches Internat bis heute. Das hat schon was, bzw. wo gibt es das heute noch in dieser Vollständigkeit. Und dann die Wasserwirtschaft. Ich streune durch die Wiesen und Wälder, suche die Gräben und Bäche. Bewundere die Staumauer des Tiefen Sees, die seit über 600 Jahren die rückwärtige Mauer des Klosterbezirks darstellt. Und die Wassermassen hält. Der ganze Klosterbezirk strahlt tiefe Ruhe aus und ist doch ein lebendiger Ort mit jungen und alten Menschen. Auf jeden Fall einen Besuch wert.

Freitag, 14. Juli 2017

Familie und Weltkulturerbe



Tag 11 und 12 Weinstadt Endersbach, Esslingen, Stuttgart
Meine Deutschlandreise führt mich ja nicht nur zum Weltkulturerbe, sondern auch zu einem Haufen Verwandtschaft und jeder Menge Freund* innen. Besuch bei meiner Cousine bedeutet eben auch Besuch bei ihrer, unserer, meiner Familie. Und so sitzen wir drei Generationen übergreifend auf dem Sofa, und gucken Bilder. Das Baby meiner Großnichte ist erst unterwegs, beim nächsten Mal sitzen wir vier Generationen übergreifend da.
Der Besuch in Esslingen bei einer Studienfreundin auf Arbeit im Denkmalamt Baden-Württemberg bringt nochmals Kontakt mit anderen Leuten aus dem Studium. Kaffee trinken, Weißwein trinken, Eis essen. Ich bin überrascht, wie schön das Remstal ist, noch überraschter bin ich von Esslingen. Statt einer Betonkästen-Stuttgart-Vorstadt /Schlafstadt empfängt uns eine wunderschöne mittelalterliche Altstadt, erhalten wir eine kundige Führung durch das denkmalgeschützte Gebäude des Landesdenkmalamtes. Eine Stadt mit Charme, und durchaus einen eigenen Besuch wert.
Und Weltkulturerbe in Stuttgart, die Le Corbusier-Häuser. Was soll ich sagen; ich habe sie von außen gesehen. Das war schon mal beeindruckend. Aber das war es dann auch. Sie waren geschlossen.

Dienstag, 11. Juli 2017

Tag 10 Bayreuth. Der heutige Tag besteht vor allem aus packen und Auto fahren. Wie sehr Auto fahren in diesen eng besiedelten Gegenden Stop and Go heißt, Baustellen, Umleitungen, Umleitung in der Umleitung heißt, das erfahre ich am eigenen Leib. In Bayreuth besteht das Weltkulturerbe aus dem markgräflichen Opernhaus aus dem 18. Jahrhundert.  Das wird bis 2018 saniert hatte ich schon im Internet gelesen. Von daher war klar, der Welterbepunkt in Bayreuth fällt kurz aus, 10 Min. Oder so. Stattdessen wollte ich in den ökologischen Botanischen Garten der Stadt.  Aber Pustekuchen. Alle Wege führen in die Umleitung der Umleitung. Wir haben dann aufgegeben, und haben das moderne Opernhaus, nein, Festspielhaus angesteuert. Wenn man schon in Bayreuth ist. Fazit für Bayreuth: zwei Opernhäuser von aussen, ein bisschen Altstadt, kneippen mit den Einheimischen und mal wieder Eis essen. Limette-Basilikum-Eis wollte ich immer schon mal probieren.

Sonntag, 9. Juli 2017

TFF Rudolstadt

Tage 6-10 Rudolstadt Festival. Jedes Jahr Anfang Juli zieht es die Folkmusik-Gemeinde in das beschauliche thüringische Städtchen Rudolstadt. Von Donnerstag 21 Uhr bis Sonntag 22.30 Uhr gibt's was auf die Ohren. 120 Auftritte von 40 Bands. In der ganzen Stadt verteilt. Die großen Bands und Künstler auf den beiden Bühnen im Heine-Park, mittelgroße auf der Heidecksburg und auf dem Marktplatz. Die kleinen überall verteilt auf allen Plätzen, Straßenecken, Hinterhöfen. Wo eben Platz ist. Und nicht alle Musik steht im Programmheft. Einiges ist spontane Jam-Session. So jede Nacht an der Bar im Freibad...

Leider heisst es nicht mehr TFF. Was mehr ist als nur eine Namensänderung. Wer Amy McDonald als Hauptact zu Beginn am Donnerstag hat inkl. Live Stream bei Arte, der wird überrannt. Und damit verändert sich vieles, vor allem in der Stimmung bzw. Atmosphäre. Ja, es ist immer noch friedlich und freundlich, aber es ist ein Geschiebe wie auf dem Weihnachtsmarkt. Ja, jede Menge nette Leute, nur zuviel davon. So schaue ich mir Freitag zwar die Strassenmusiker an, aber das reicht mir dann auch als Ausflug in die Innenstadt. Stattdessen gehe ich am Samstag vormittag mit Silke ins Schillerhaus in den Garten, Mittagspause mit den Mädchen oben auf der Heidecksburg auf der Terrasse am Teehaus. Beides Ruhepole in diesen Menschenmassen und der Hitze. Trotzdem immer wieder nette Begegnungen mit anderen Menschen, Männern und Frauen. Es überrascht mich, wie leicht ich in Kontakt komme, wenn ich offen bin. Wie Leute auf mich zu kommen. Die Musik spielt dieses Jahr eher eine Nebenrolle. Vielleicht weil ich über die Jahre schon so viel Musik, und soviel unterschiedliche Musik gehört habe. Da setzt langsam Übersättigung ein. Die Bands sind gut, ohne Frage. Es ist auch nett, hier zu sein, klare Sache.
Um mich wirklich zu faszinieren, muss es ungwöhnlich sein. Klar, Dreiviertelblut ist so gut und besser als im Internet, die Tanzacts wie Banda Internationale, Troika, Branka galoic fetzen.
Wirklich fasziniert bin ich von Erin Karven. Norwegerin, Samin und begnadete Joikerin. Joiken ist der Kehlkopfgesang der Samen, mit dem sie ohne Worte Gefühle zu Personen und Ereignissen besingen. Erin Karven joikt zu 100 Jahre Womens Rights. Die zweite Band, die sich mir dieses Jahr einbrennt ist Niteworks von der Isle of Skye. Techno mit Dudelsack und Pipe auf gälisch mit einer begnadeten Sängerin. Da gehe ich zu beiden Auftritten.

Insgesamt lässt sich sagen, 2017 bestand das Festival aus baden: baden im Freibad, baden im Sonnenlicht, baden in der Musik, baden in der Saale, baden in Marihuana-Schwaden, baden in der Menschenmenge.

Nächstes Jahr nicht in Jerusalem, sondern nächstes Jahr in Rudolstadt. Ort, an dem ich spüre, wie Leben auch sein kann. Estland ist 2018 Gastland. Mal gucken was es da für Musik gibt.

Freitag, 7. Juli 2017

Weimar

Tag 6 Weimar.  Weimar ist für mich der Inbegriff von Spiessigkeit. Piefige Kleinstadt, die sich was auf ihre Geschichte einbildet. Ich möchte hier nicht tot überm Zaun hängen. Goethe und Schiller hin oder her; Herder, Novalis und Konsorten dito. Ich hätte auch zu den Blütezeiten Weimars hier nicht leben wollen. Ich glaube nicht, dass ich mit meiner Art in der feinen Gesellschaft Anklang  gefunden hätte. Mir wäre es wahrscheinlich wie Christiane Vulpius gegangen.
Das einzige, was ich bisher in Weimar gut fand, war die Gründung der Republik 1919. Naja, und der große Park an der Ilm findet auch Gnade vor meinen Augen. Goethes Parkhaus fällt schon wieder durch. Aber jetzt ist Weimar in meiner Achtung deutlich gestiegen. Wir haben die Anna-Amalia-Bibliothek besichtigt. Eine wunderschöne blau-weiss-goldene Rokkoko-Bibliothek. Und eben keine tote Museumsbibliothek, sondern Forschungsbibliothek. Wenn ich ein Forschungsanliegen zu der Zeit hätte, könnte ich die Bibliothek von Anna Amalia nutzen. Und käme auch in den Bücherturm, wo die Bücher ihres Sohnes stehen. Was mich aber endgültig umhaut, ist das moderne Studiententrum, die moderne Bibliothek. Ohne Bibliothekskarte, ohne Mitglied zu werden und 10 Euro Jahresgebühr zu zahlen, darf ich nur ins Erdgeschoss. Ich bin schon in genug Büchereien Mitglied, also wiederstehe ich der Versuchung. Zumal das Neuerwerbungen-Regal im Freihandbereich im Erdgeschoss steht. Ich bin kurz davor mich festzulesen, da fällt mir das Versprechen wieder ein, dass ich den Kindern gegeben habe: in 10 Minuten komme ich in den Park. Seufzend lasse ich die Bücher Bücher sein.
Weltkulturerbe Bauhaus-Bauten in Weimar?  Das van-de-Velde-Haus habe ich immer noch nicht gesehen. Nächstes Jahr. Vielleicht.

Dienstag, 4. Juli 2017

Gesang der Schlüsselblumen

Allein unterwegs sein bedeutet jedem spontanen Impuls nachgehen zu können. Das Übernachten im Kloster erinnert mich so an meine Pilgertouren, dass ich im Auto das Navi ausstelle, und meiner Nase folge auf Feldwege, Waldwege, Plattenwege. Mansfelder Land heißt Südharz-Rand, Berge, Serpentinen, viel Landschaft, wenig Orte. Sprunghaft drücke ich den Radio-Suchlauf. Sobald ein Lied mich langweilt, Knopf gedrückt, nächster Sender. Nur wenige Beiträge fesseln meine Aufmerksamkeit. Auf dem Weg nach Dessau habe ich mich bei MDR-Kultur über ein Essay "Wie ich den Karpfen angelte" schlapp gelacht. Heute bleibe ich beim Deutschlandfunk hängen. Gesang der Schlüsselblumen. Ein Prof. von der Uni Regensburg, Thilo Hinterberger, hat das Instrumentarium zum Hören von neuronalen Gehirnaktivitäten beim Meditieren auf Pflanzen angewandt. Und so höre ich ein Musikstück, dass von Schlüsselblumen erzeugt wird, wenn sie Wasser über ihre Kapillaren nach oben leiten. Florasonium. Die ganze Welt singt, ich wußte es. Jetzt kann ich es sogar hören.

Luther rückwärts



Tag 5 Luther rückwärts. Heute ist Lutherstadt Eisleben und Mansfeld Lutherstadt dran. Ich beginne mit Luthers Sterbehaus. Vor mir eine amerikanische Reisegruppe, hinter mir eine koreanische Reisegruppe. Die Museums-Aufseherin schickt mich gegen den Strom durch das Haus. So beginne ich mit der Rezeptionsgeschichte nach Luthers Tod, und lande erst zum Schluss bei seinem Herzinfarkt. Alles ganz spannend, alles ganz nett. Das einzige, was mich wirklich anspricht, ist sein, Luthers, Umgang mit dem Tod seiner zwei Töchter, seiner Eltern, naher Freunde. Wie er genau unterscheidet zwischen dem Bewusstsein, dass sie jetzt in Jesus sind, in einer besseren Welt, und seiner Trauer, dass sie ihm hier, in dieser Welt, fehlen und er um sie trauert. Was mir gar nicht gefällt, ist seine Ablehnung des Fegefeuers, bzw. des Glaubens, dass sich im Todesprozess entscheidet, wie es danach weitergeht, ob mit Hölle, Himmel oder Fegefeuer. Das sehe ich anders, da bin ich zutiefst katholisch. Bzw. finde die gleichen Aussagen auch im tibetischen Totenbuch wieder. Die Seele weiß sehr wohl, wo sie fehlgelaufen ist im Leben. Und richtet und gewichtet. Die Totenwaage der Ägypter halte ich für real. Aber wie gesagt, das ist meine Weltsicht der Dinge, Luther war da anders drauf.
Dann ab ins Geburtshaus. Architektonisch gut gelöst, das alte Haus integriert in einen Neubau für die Ausstellung. Die Ausstellung ist grottig und lahm. Gut dagegen gefällt mir die Ausstellung in Mansfeld zu Luthers Elternhaus. Die haben aber auch Archäologen gemacht, das ist sofort zu merken. Gut erklärt, historisch eingeordnet, schöne Objekte und vor allem spannende Geschichten anhand von Details aus der Ausgrabung der Küchengrube um 1500. Klasse. Das habe ich jetzt aber auch gebraucht, denn Mansfeld selber ist heutzutage deprimierend. Wirtschaftlich prosperierend sieht anders aus.