Samstag, 31. Oktober 2020

The Juliet Letters

2001 war ich mit meiner Studienfreundin unter anderem in Verona. Natürlich haben wir uns den berühmten Balkon angeguckt, aber wir waren auch an Julia Capulets angeblichem Sarkophag. Ob wir einen Zettel, einen Wunsch, einen Brief in den Sarkophag geworfen haben? Ich weiß es definitiv nicht mehr.

Heute Abend im Theater "The Juliet Letters" von Elvis Costello und dem Brodsky Quartet als Ballett. Schnief, war das traurig. Dem Programmheft habe ich entnommen, dass ganz viele Leute Briefe an Julia Capulet, Verona, schreiben, dass es ein ganzes Team von Sekretärinnen, von ehrenamtlichen Menschen gibt, die diese Briefe beantworten. Elvis Costello und das Brodsky Quartet haben diese Information aufgenommen, und sich Briefe ausgedacht, The Juliet Letters, und die dann vertont. Ralf Dörnen hat daraus mit dem Tanzensemble ein Ballett gemacht. Da es coronabedingt keine Programmhefte vor Ort gibt, sondern nur noch zum runterladen, habe ich mir nachmittags schon die Texte angeguckt. Da habe ich schon tief durchgeatmet. Ich habe meine Schulfreundin Doris zu Besuch, und die hat noch Reste an Liebeskummer und Trennungsschmerz. Die Texte der Briefe/ Lieder sind fast alle tieftraurig, reden viel von Trennung, Tod, Betrug. Doch vielleicht ist es so wie mit guten Kinderbüchern. Wenn ich Bilderbücher über den Grüffelo lese, über die Wilden Kerle, dann setze ich mich mit unangenehmen Gefühlen auseinander, fühle die Gefühle, ohne gleich mitten drin zu stecken.

The Juliet Letters von Elvis Costello und dem Brodsky Quartet. Rock und Pop mit klassischen Instrumenten oder klassische Musik mit Rock und Pop Rhythmus. Wunderschöne, manchmal tieftraurige, manchmal beschwingte, witzige Musik. Dazu 13 Tänzer*innen, die die Texte zum Leben erwecken, die mich hineinziehen in die Geschichten. Geschriebenes, gesungenes Wort getanzt. Die nächste Zeit werde ich The Juliet Letters auf Dauerschleife hören.






Mittwoch, 28. Oktober 2020

Mondscheinpaddeln

Sommer 2019. 14 Tage Fortbildung in Rostock, Seminarbeginn um 8 Uhr. Viel zu früh, um morgens von Stralsund anderthalb Stunden durch den Berufsverkehr zu gurken. Also nehme ich mir ein Zimmer in dem Fortbildungszentrum. Feierabend ist um 15.30 Uhr. Was mache ich also mit dem endlosen Nachmittag und Abend? Soviel Theorie lernen brauche ich auch nicht. Zum Glück habe ich Freund*innen in Rostock UND bin geübt im Veranstaltungen recherchieren. Ich kann also eine Reihe von Veranstaltungen zur Auswahl vorschlagen. Und mache dann fast gar nichts davon. Denn es ergibt sich vieles viel besseres. Die Kulturangebote müssen ohne mich statt finden.

Zwei Abende verbringe ich mit Freund*innen auf der Merkur 2, direkt im ISPS-gesicherten Holzhafen. Abendessen an Bord, in der Sonne sitzen auf dem Vorderdeck, mit Blick auf Rostock und die Warnow. 

 


Ähnlich gemütlich ist der Abend mit ein paar der Lehrgangsteilnehmern auf der Terrasse des Hotelschiffs Severa 2.  Einen anderen Abend verbringe ich am Strand von Warnemünde, Sonnenuntergang beobachten mit Cocktail in der Hand.

Doch das Highlight ist die geführte Tour "Mondscheinpaddeln". Gemeinsam mit einer Freundin aus Rostock machen wir eine Stadtführung per Zweierkajak über die Warnow.



Von der Wasserlinie ragt der Eisbrecher Stephan Jantzen über uns auf. Von oben sieht so ein Schiff nicht so riesig aus.



Das Mondscheinpaddeln ist eher ein Sonnenuntergangspaddeln. Die Warnow zeigt sich von ihrer schönsten Seite. 


Den Abend runden wir ab mit einem köstlichen Essen beim Italiener direkt an der Kaikante.




Mondscheinspaziergang


 
 
Sommer 2020. Whatsapp von Kind 2 in der Familiengruppe mit einen Link und einer Frage:  wer hat Lust und wer hat Zeit für einen Mondscheinspaziergang auf den Baumwipfelpfad in Prora. Ein kurzer Blick in den Kalender, ich kann an dem Termin. 
Insgesamt sind wir schlussendlich sechs Leute, die mit wollen. 

Als der Tag heranrückt, regnet es. Und zwar so richtig. Das ganze gemeinsame Essen vorher schauen wir trübselig in den Regen. Egal. Kind 2 und ich starten trotzdem. 


Der Erfolg gibt uns Recht. Je weiter wir Richtung Küste kommen, desto mehr klart es auf.


Nach einem kurzen Vortrag in der Mitte des Baumwipfelpfades dürfen wir selbständig den Weg noch oben nehmen. Wir gehen ganz zum Schluss, auch um den Menschen mit Taschenlampe auszuweichen. 

Der Abend ist fast mythisch zu nennen. Manchmal, kurz, ist der Mond zu sehen, und es wird deutlich heller. Dann ziehen die Wolken wieder zu und es zappenduster. Bis wir oben auf der Plattform ankommen. Das Licht der Zivilisation lässt den Hafen von Mukran mit seinen Kränen und Containerverladestationen leuchten.



Dienstag, 27. Oktober 2020

Künstliche Intelligenz


Der Vorteil an einer Hochschule mit technischem und wirtschaftlichem Profil zu arbeiten ist unter anderem, dass man (und frau) immer über Innovationen und Weiterentwicklung in diesen Bereichen informiert ist. Als Corona anfing, wurde am Mittagstisch mit den IT-Profs und den ITlern intensiv über Vor- und Nachteile der verschiedenen Videokonferenzsysteme diskutiert, auf meinem PC sind inzwischen fünf oder sechs dieser Systeme installiert, die ich auch leichthändig bedienen kann 😀.

Künstliche Intelligenz/KI (oder Artificial Intelligence/AI, wie es im Englischen heißt) ist im Moment in aller Munde, gilt als die Zukunft. Bei uns wird darüber seit langem als Big Data, Machine Learning oder Deep Learning gelehrt und geforscht. D.h. seit Jahr und Tag gibt es bei uns Forschungsprojekte zu Künstlicher Intelligenz. Über die letzten sieben Jahre hat der demografische Wandel bei den Professuren eingesetzt. Von daher sind jede Menge Menschen neu an der Hochschule, die nicht immer wissen, was an Forschung in den anderen Fakultäten abgeht. So war es logisch, eine Messe zum Thema künstliche Intelligenz zu organisieren. Also sowas wie Weihnachtsmarkt im Oktober. Corona-bedingt als Hausmesse, da selbst im großen Foyer der Fakultät Maschinenbau nur Platz für 30 Menschen mit Einhaltung der Abstandsregelung ist. 





Künstliche Intelligenz an der Hochschule Stralsund. Ich war platt. Nicht k.o. platt, sondern erstaunt platt. Acht Vorträge, über große und kleine Forschungsprojekte, über KI in der Wirtschaft, im Maschinenbau, in der Informatik sowieso. Ich wusste, dass unsere Profs gut sind, gerade auch in der Verzahnung von Lehre und Forschung. Gero Szepannek hat einen Artikel zu Lehre in der Statistik zum besseren Verständnis von Daten veröffentlicht, das Human Brain Projekt mit seinen Neuromorphen Netzwerken von Andre Grüning fasziniert mich seit seiner Berufungsvorlesung. Wir haben Projekte für die Landwirtschaft mit ArtIFARM, Projekte/Forschung für die Gesundheitswirtschaft über unser IACS-Institut genauso wie Projekte für die Tourismusindustrie. Am meisten beeindruckt hat mich aber die Forschung von Thomas Wengerek zu Probalistic Programming. Wenig Daten, also wenig Information - wie bekomme ich diese gefiltert, verdichtet, um zu einem geeigneten Ergbnis, zu einer tragfähigen Entscheidung zu kommen. Holla die Waldfee. Das grenzt an Glaskugel und Intuition, ist aber streng mathematisch.

Schade, dass es "nur" eine Hausmesse sein konnte. Die Themen, die Forschungen, die Ergebnisse sind so spannend, dass ich mir wünsche, wenn wir wieder Präsenzveransaltungen mit mehr als 30 Personen machen können, dass wir das nochmal machen, dann aber für alle. Und langfristig brauchen wir definitiv ein Haus der Bildung, damit wir für die Menschen in Stadt und Land um uns herum diese, unsere Forschung auch vorstellen können. Gut, dass bei der Ideenkarte bei Vorpommern besser machen wir genau so einen Bedarf eingestellt haben.


Montag, 26. Oktober 2020

Aus-, Fort- und Weiterbildung

Ich sollte wirklich mal anfangen, Kursbeschreibungen komplett zu lesen. Ich reagiere immer auf Happytriggerworte, melde mich mit Elan an, und bin dann bass erstaunt, was ich da gebucht habe. Doch ich kann nicht meckern, alle meine Kurse, Workshops, Tagungen, sei es Online oder Präsenz, haben mir Spaß gemacht, ich habe jeweils viel gelernt, und alle hatten und haben richtig Qualität und Professionalität. 

Mein Können im Bereich Konsentmoderation habe ich mit Kurs 2 im ZEGG vertieft. Dachte ich. Pustekuchen, bzw. ja, es waren Elemente der Konsentmoderation dabei. Kommunikation für kleine Teams hieß der Titel, und eine der Seminarleiter*innen war Sonja Meier, bei der ich den Basiskurs Soziokratie gemacht habe. Nur - der andere Seminarleiter war Dirk Adams, und dessen Schwerpunkt ist Gewaltfreie Kommunikation. Beides hat mir gut gefallen und kann ich auch gut verwenden auf meiner Arbeit, eine echte Fortbildung also. Mit Co Counseling habe ich eine neue Methode kennengelernt, die mir so gut gefällt, dass ich mich da nächstes Jahr weiter fortbilden will.





Ich habe tatsächlich eine neue Ausbildung begonnen, ich werde Prozessbegleiterin in der Natur /Naturcoach, und mit zwei zusätzlichen Bausteinen sogar Visionssucheleiterin. Ich suchte schon ganz lange nach der Möglichkeit für eine Coach-Ausbildung. Aber alles was ich da an Angeboten auf dem Markt fand, hat mich nicht überzeugt. Ich gebe doch kein Geld aus für etwas, das ich längst kann, nur um eine Bescheinigung zu kriegen. Aber Naturcoaching ist etwas anderes. Da zu vertiefen und auszubauen, was ich bereits kann, mit einem hohen Anteil an Selbsterfahrung und Sein in der Natur, das ist genau meins. Die erste Woche in Oberfranken ist schon gewesen, und endlich, endlich habe ich all die Theorie gelernt zu der Praxis, die ich schon ewig anwende. Genau richtig gewählt!!! Ich klopfe mir schon seit Tagen auf die Schulter, dass ich mich dazu entschieden habe. Drei Jahre lang werde ich nun je eine Woche im Frühjahr und im Herbst Schulung, Unterricht, Ausbildung haben. Dazwischen ein Übungswochenende mit der Kleingruppe in Norddeutschland und regelmäßig selbständige Übungen bei mir vor Ort. Das es so intensiv sein wird und eine komplette Ausbildung ist, stand zwar in der Ausschreibung, war aber vorher nicht so richtig in meinem Bewusstsein angekommen. In der ersten Ausbildungswoche waren wir jeden Tag für eine Selbsterfahrungs-Einheit im Wald, das Tagesprogramm ging von 9.15 Uhr bis 21.30 Uhr. 




Über diese Ausbildung habe ich den Tipp bekommen für eine Online Räucherakademie, Corona lässt grüßen. Drei Wochen lang montags anderthalb Stunden Vortrag, kleine Aufgaben zum selber ausprobieren, donnerstags in der Facebook-Gruppe Fragen diskutieren. Jetzt sind drei Wochen Pause zum Kräuter sammeln und trocknen, dann wieder drei Wochen Vorträge mit Aufgaben und Diskussion. Macht Spaß. Und ist eine gute Abwechslung zu meiner normalen Arbeit. Das ist zwar auch Lernen, aber doch eher Hobby 😀.





Die Weiterbildung bestand die letzten Wochen aus zweitägigen Videokonferenzen jede Woche. Weiterentwicklung der Gleichstellung an Hochschulen. Virtuell war ich in Halle, in Regensburg und in Aachen, in München und in Köln. Ich war abends immer wie berauscht und gleichzeitig komplett platt. Aber zu merken, dass die Ansätze, die ich an meiner Hochschule verfolge, State of the Art sind, wirklich die neueste Entwicklung, das berauscht mich. Ich habe die Ansätze aus der Situation bei mir vor Ort und den Bedürfnissen der Leute, so wie ich sie erkannt habe, selbst entwickelt. Durch die Vorträge und Workshops auf den Tagungen hat sich mein Verständnis nochmal vertieft, manches, was mir eher unklar war, warum das so ist, verstehe ich jetzt. Und Ideen, Ideen, Vorschläge und Lösungen. Ich freue mich schon, das umzusetzen.
 

Es macht Spaß,  intellektuell gefordert zu werden,  neues zu Lernen und viel draussen zu sein. Dank Corona waren alle Präsenz-Seminare mehr an der frischen Luft als drinnen. Ich freue mich schon darauf, all das neue Wissen anzuwenden und weiterzulernen.

Freitag, 16. Oktober 2020

Mein größter Mißerfolg

Am Montag habe ich mal wieder den ganzen Tag in Vorstellungsgesprächen verbracht. Es ist bei uns Usus, dass sich die Gesprächsleitung aka der/die Vorgesetzte Fragen ausdenkt, damit die Gespräche vergleichbar sind. Da kommen dann die klassischen Fragen nach Stärken und Schwächen, wie reagieren Sie auf Kritik und was es da sonst noch gibt. So auch die Frage nach dem größten Mißerfolg. 

Was sehe ich als meinen größten beruflichen Mißerfolg? Die spontane Anwort: dass als Gleichstellungsbeauftragte meine beiden Töchter kein technisches Fach studieren. Und genauso spontan: mein größter Erfolg ist, dass meine beiden Töchter kein technisches Fach studieren. Denn das ist für mich ein Erfolg: dass meine beiden Töchter so klare, selbständige Persönlichkeiten geworden sind, dass sie nicht Mama zuliebe was Technisches studieren. So ist mein größter Mißerfolg gleichzeitig mein größter Erfolg.

Mittwoch, 14. Oktober 2020

Neue berufliche Herausforderung

Seit 2002 bin ich an der Hochschule, also ganz schön lang. Zum Glück habe ich immer wieder neue Aufgaben und Projekte übertragen bekommen, sonst wäre ich längst im Bore out gelandet. Vor zwei Jahren habe ich einen Kollegen von Transfer & Kooperation beerbt. Er ist in Rente gegangen, und ich durfte die Abteilung in die Moderne bringen. Das hat Spaß gemacht. Ausmisten, Prioritäten setzen, alte und neue Kooperationen auf den Prüfstand, neue Kolleg*innen für neue Aufgaben gewinnen, Altbewährtes fortführen.

Gleich in den ersten Wochen in der neuen Aufgabe ist mir klar geworden, wir brauchen langfristig eine Transfer-Strategie, wenn ich mich nicht komplett überarbeiten soll. Die Welt ist so groß, da müssen wir uns einen Kompass besorgen. Meine beiden Staff Weeks in Bologna und in Helsinki haben mich in diesem Ansinnen nur noch bestärkt. Doch bekanntlich mahlen bürokratische Mühlen langsam, so daß es bis diesen August gedauert hat, bis ich das ok hatte, und wir loslegen konnten. Wir, das ist in dem Fall eine Kollegin, die Forschungsreferentin, und ich. 

Nun schrammt eine Transfer-Strategie für die Hochschule nur knapp an einer Leitbild-Diskussion vorbei und ist entsprechend aufwendig. Zum Glück haben wir mit dem Stifterverband für die Wissenschaft einen Partner an unserer Seite, der uns durch den Prozess begleitet. und so haben wir ein 14köpfiges Projektteam gebildet, und ich darf den Prozess leiten. Darf mein neu erworbenes Wissen zu Konsentmoderation, mein alt erworbenes Wissen über Mikropolitik und meine Kenntnisse in Projektarbeit praktisch anwenden. Yuppidu, das werden spannende Monate bis nächsten Mai.




Donnerstag, 8. Oktober 2020

Newslichter

Die Tage sind immer noch so vollgepackt, dass mir kaum Zeit für Reflexion und Kontemplation bleibt. Einziger Lichtblick für einen kurzen Augenblick: die Newslichter , die ich morgens kurz scanne. Newslichter mit Nachrichten, Informationen und kurzen oder längeren Gedankensplittern, die mein Herz wärmen. Heute morgen haben mich Gedichte von Khalil Gibran und Rainer Maria Rilke begrüßt. 

Und beide Texte sprechen mir so aus dem Herzen, als wären sie nur für mich in meiner heutigen Verfassung geschrieben. 


Verzweifel nicht! (Rainer Maria Rilke)


Der Text von Gibran erscheint nicht in der Smartphone-Ansicht, daher hier nochmal extra. Ich verschenke meinen Überfluss, meine Liebe, meine Freude, meine Fröhlichkeit, meine Zuwendung, meine Zuneigung, weil mein Herz sonst verdorrt.


Mein Herz ist ein Baum,

beladen mit Früchten,

die ich pflücke, um sie

zu verschenken 

(Khalil Gibran)