Samstag, 31. August 2019

Clanga pomarina

Clanga pomarina ist der neue orninthologische Name des Schreiadlers. Bis vor ein paar Jahren hieß er Aquila pomarina, Pommernadler.

Clanga hört sich ein bisschen wie Musik an. Eine Steilvorlage für die Leute von der Opernale. Die haben sich auf die Fahnen geschrieben, hochkarätige Hochkultur aufs platte Land zu bringen. Im Klartext: Oper in Vorpommern. Angefangen haben sie 2014 mit der Bettleroper, dann haben sie etwas zur Barockdichterin Sibylla Schwarz aus Greifswald gemacht, zum Lutherjahr Katharina, Alwine, Gudrun aufgeführt, danach die Zauberflöte auf plattdütsch. Oft ist Libretto und Musik eine Uraufführung. Henriette Selmsdorf, die Macherin hinter der Opernale, hat Oper studiert und wohnt jetzt bei uns in Vorpommern. Im Laufe der Zeit hat sie Benjamin Saupe kennengelernt, begnadeter Musiker und Komponist und auch aus der Region. Zusammen sind die beiden ein richtig gutes Team.

Nun gehört zur Opernale auch, dass neue, unbekannte Aufführungsorte auf dem platten Land gesucht und gefunden werden. Diesmal habe ich Karten für den Pferdestall in Kirchdorf in der Gemeinde Sundhagen. Sauber geschrubbter Ziegelboden, geweisste Wände, Dixiklo um die Ecke. Und die Frauen vom örtlichen Sportverein haben ein köstliches Buffet und eine kleine Bar im hinteren Teil des Raumes aufgebaut. Die Atmosphäre hat Flair und die Ausstellung ist ausverkauft.

Clanga pomerina, die Schreiadleroper.
In Deutschland steht der Schreiadler auf der Rote-Artenliste. Vom Aussterben bedroht. Es gibt nur noch 100 Brutpaare bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, dazu ein paar in Brandenburg. Alte Bäume und feuchte Wiesen sind unter den momentanen Bewirtschaftungsformen von Wald und Grünland eher dünn gesät. 
Am Leben des Schreiadlers Rainer wird Naturkunde, Naturschutz, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gezeigt. Manches witzig, wie die Konferenz-Streitereien der Wissenschaftler*innen zur genauen Verschriftlichung der verschiedenen Ruflaute des Schreiadlers. Manches nachdenklich, wie die Entlarvung des Konzepts des Kainismus in seiner menschlichen Ablehnung als Verkennung der Lebensrealität der Schreiadler. Ein Erbe, ein Ersatz. Da das Futter nur für ein Küken reicht, wirft das gesunde ältere Küken in der Regel das jüngere, schwächere, aus dem Nest.
Manches bezieht eindeutig Stellung gegen Vogelmord, dem gezielten Abschiessen auf der Vogelzug-Route im Libanon, oder Greifvögel als Trophäe. Manches bleibt eher offen wie die Konflikte zwischen Bauern, Windparkentwicklern, Naturschützern und Forschern. Manches beeindruckt nur wie die 12.000 km, die Schreiadler zwischen Winterquartier in Afrika und Sommerquartier bei uns zurücklegen.

Und das alles in Opernarien. Richtig cool. Im Endeffekt ist es wie eine Sendung mit der Maus als Oper. Hörens- und sehenswert.




Montag, 12. August 2019

Mit Fahrrad für die Zukunft


Gastbeitrag von JKK

Mein Kind demonstriert für eine bessere Zukunft! Als brave Mutti, die selbst als Jugendliche auf die Strasse ging (damals für eine Welt ohne Atomraketen), überdenke ich also meinen inzwischen im Alltag abgeschliffenen Lebensstil - denn jetzt geht es um noch ein bisschen mehr. Weniger Fleisch und ein paar andere Umstellungen beim Essen sind auch besser für die Linie (und die Gelenke), privat geflogen bin ich seit 2001 sowieso nicht mehr, eine neue Heizungsanlage ist eine Frage des Kontostandes - was kann ich also noch tun? Auf den Prüfstand wird das tägliche Pendeln zwischen meinem Wohnort und dem Arbeitsplatz in der Uni gestellt. 30 min mit dem Auto von Haustür zu Haustür - an Tagen ohne Stau (also nur wenn Schul-, Parlaments- und Semesterferien zusammenfallen). Allerdings ist es nicht nur eine Zeit-, sondern inzwischen auch eine Fitnessfrage - und eine CO2-Frage.
Da passt es prima, dass in unserer Großstadt gerade ein System an Leihfahrrädern in der Pilotphase installiert wird. Frohgemut kette ich also meinen inneren, ach so bequemen Schweinehund an, lasse eines Morgens mein Auto stehen und hole mein Fahrrad aus den Schuppen - zum Bahnhof sind es nur 5 Minuten, mein Schloss ist dick genug zum Abstellen im Bahnhofsbereich. Das Ticket kostet mit BahnCard-Rabatt 3,70 Euro. 16 min dauert die Fahrt. Die Fahrradstation neben dem Großstadtbahnhof sieht man aufgrund der weißgrün leuchtenden Fahrräder schon von weitem. Mit der am Vortag installierten App kann eines davon leicht entriegelt werden; die Satteleinstellung ist ebenfalls einfach. Los geht’s! Seit meinen Studientagen sind die Radwege etwas breiter geworden - die Eiszeit-Moränen bedingten Steigungen leider nicht flacher, aber ich will ja auch etwas für meine Fitness tun. Auf halber Strecke kann ich auf die frisch gebaute Veloroute einbiegen und fliege geradezu durch bis dato unbekannte ehemalige Gewerbe-Hinterhöfe meinem Schreibtisch entgegen. 19 min! und ich habe die Abstellstation auf dem Campus erreicht. Nur, jetzt beginnt das Malheur! Mein Smartphone hat keine WLAN-Verbindung, ich kann das Fahrrad zwar zuschließen, auf meiner App wird aber munter die Ausleihzeit weitergezählt. Die Hilfefunktion der App beschert mir nach mehreren Vertippern noch zwei Schloss-PINs in Innsbruck (sic!), aber die freundliche Dame, die ich nach einer gefühlten, Panik steigernde Ewigkeit (=5 min) erreiche, repariert die Situation von ihrem Computer aus. Ich verziehe mich also in mein Büro (4 min), wo ich entdecke, dass die Ausleihzeit der beiden Fahrräder in Österreich dennoch weiterläuft. Bei einem weiteren Telefonat einigen wir uns darauf, dass offiziell alles in Ordnung ist, nur mein Handy wegen mangelnder Verbindung in die weite Welt das noch nicht mitbekommen hat. Fazit: 45 min unterwegs, nur final etwas viel Aufregung und zusätzliche 10 min Verzögerung zur Situationsklärung. Entspannt kann ich meine Arbeit nicht gerade beginnen.
Nach meiner Halbtagsarbeit bin ich entsprechend gespannt: also zurück zur Station neben der Mensa. Doch so einfach wie am Morgen geht es jetzt nicht. Bei drei Fahrrädern sagt mir die App, ohne Internet gibt es auch kein Fahrrad. So schnell verzage ich aber nicht. Beim Sportzentrum warten schließlich die nächsten Fahrräder. Dort funktioniert die App allerdings auch nicht. Die dritte Station wäre dann 12 min Fussweg entfernt. Nun gebe ich nun doch auf und wende mich der Busstation zu. Schade, so hatte ich mir mein CO2-armes Arbeitsleben nicht vorgestellt. Am Bahnhof erwartet mich eine weitere, schon nicht mehr überraschende Verzögerung. Meinen Zug, den ich fast schon aufgegeben hatte, erreiche ich wegen um 10 min verschobener Abfahrt, die Bahn-App erwähnt eine Signalstörung. Kaum sitze ich drinnen, macht die nächste Nachricht die Runde: Zugausfall, wohl wegen Personalmangel - alle dürfen umsteigen in den nachfolgenden, bereits wartenden Zug. Von Bahn-Bashing halte ich nicht viel; am Abend kann ich mit Zusammenführung aller Tagesnachrichten rekonstruieren, dass die Verspätung einem tödlichen Unfall an einem Bahnübergang geschuldet ist. Angesichts solcher Ereignisse ertrage ich jede „Störung im Betriebsablauf” geduldig. Dennoch habe ich für den Rückweg bei meinem persönlichen Pilotprojekt 1,5 h gebraucht.
Fazit: So habe ich mir meine alternative Mobilität nicht vorgestellt. Mit Bus und Bahn kann ich meinen Arbeitsplatz auch erreichen, das wusste ich schon vorher. Dank der Bahn-App finde ich zudem schnell den passenden Bus (die App funktioniert nämlich auch ohne Internet-Kontakt). Die Kombination mit Zweitfahrrad zum Leihen scheint aber nur mit ausreichender Digitalisierung zu klappen. Und die ist im betreffenden Bundesland leider noch nicht so weit vorangeschritten. Was nützt mir ein geliehenes Rad, wenn ich nicht mehr damit zurückkomme.
Mein Kind demonstriert für eine bessere Zukunft! Es wäre schön, wenn die baldmöglichst beginnen würde.



JKK, 9.8.2019

Dienstag, 6. August 2019

Alles klebt

Direkt vor dem Eingang zu meinem Büro sind die alten Fahrradständer. Die neuen überdachten sind ein Stück weiter weg und heute abgesperrt, weil gemäht wird. Als ich nach 8 Stunden Arbeit raus komme, fluche ich herzhaft. Alles klebt. Sattel, Griffe, überall bleibt das fiese Gefühl in leicht feuchten Zucker zu fassen. Das kommt davon, wenn ich um diese Jahreszeit unter Linden parke.



Sonntag, 4. August 2019

Fahrrad-Tuning

Schon beim Kauf im Laden habe ich mein Fahrrad aufgehübscht und - in meinen Augen - aufgewertet. Statt der schrillen kleinen Fahrradklingel habe ich eine sonore Glockenklingel im hübschen Design, farblich passend, angebracht. Das sie auch deutlich lauter ist, macht das Fahrrad fahren auch noch sicherer. Sowas sind meine liebsten Tunings. Sieht an der Oberfläche gut aus und bringt in der Tiefe deutlich mehr Sicherheit. Das zweite Tuning war ein anständiger Fahrradständer. Das Fahrrad ist totz dem Kaufkriterium 'leicht, damit ich es in den Keller tragen kann' knappe 15 kg schwer.  Bei dem hiesigen Wind und Wetter taugte der werkseitige Ständer nicht wirklich. Und seit gestern hat der Hinterreifen einen Big apple-Mantel von Schwalbe. Materialverstärkt gegen Scherben und ähnliche kleine spitze und reifenzerstörende Dinge. Yeah. Ein Etappensieg gegen die Fahrradmalaisen.







Freitag, 2. August 2019

Fahrrad-Malaise(n)

Stralsund ist von der Größe her die optimale Fahrradstadt. Fast alles ist binnen 20 Minuten erreichbar mit dem Fahrrad, und selbst nach Altefähr auf Rügen dauert es nur eine halbe Stunde (wenn man denn die Öffnungszeiten des Rügendamms berücksichtigt :)). Nur - Stralsund ist Weltkulturerbestadt mit einer gehörigen Portion Altstadtpflaster. Das laut Bauamt nur Fahrradtauglich ist. Fahrradgeeignet ist schon zuviel gesagt. Zu meinen wöchentlichen Routen gehören aber Fahrten in die Altstadt genauso wie Fahrten entlang des Sundes auf dem schönen Ostseeradwanderweg, der mich schnöde zur Arbeit führt. Insofern habe ich, als es um den Neukauf eines Fahrrads ging, ziemlich genau hingeguckt, was brauche ich, was will ich. Mich mit Federgabeln, Bereifung, Rahmengrößen und was weiß ich noch auseinandergesetzt. Vorteil einer Beheimatung in der Fakultät Maschinenbau ist auch, dass du kompetente Berater en masse hast, wenn du dir ein technisches Gadget zulegen willst. Und da fällt heutzutage auch ein Fahrrad drunter. Obwohl ich mit meiner Wahl nur die ganzen Zuschreibungen für Frauen und Technik erfüllt habe. Denn, ich wollte:

- ein optisch nach Hollandrad aussehendes Fahrrad
- in rot, wenn möglich
- leicht genug, damit ich es in den Keller tragen kann
- stabil genug für meine Packtaschen für kleine Fahrradtouren und Einkäufe 
- Dreigang-Schaltung, also stinknormale Nabenschaltung mit Rücktritt

In genau der Reihenfolge!
Und, als sehr wichtiges Kriterium, direkt nach der Optik:
- Altstadttauglich, also möglichst gefedert.
Was nach intensiver Recherche auf Ballonreifen hinaus lief.

Ich habe jeden Fahrradladen in Stralsund von innen gesehen. Bis es da stand, MEIN neues Fahrrad. Ein Victoria Amrum. Ein bordeauxrotes Cityrad mit Ballonreifen. Genau das was ich gesucht habe. Mein Fahrrad ist schon seit 2013 eins meiner Lieblingsstücke.

Nun ist Stralsund zwar von der Größe her optimale Fahrradstadt, lässt sonst aber fast alles an fahrradfreundlichen Einrichtungen vergessen. Fahrradständer sind Mangelware, auch wenn es langsam besser wird. Die Qualität der meisten Fahrradwege ist eher am unteren Ende der Skala. Und überall liegen Scherben, jedenfalls auf meinen Standardstrecken. Bei meinem alten Fahrrad war mir das egal, das hatte unplattbar-Bereifung. Für Ballonreifen gibt es sowas nicht. Und das spüre ich bitterlich. Keine Ahnung, wieviel 20 Euro-Scheine ich schon über den Tresen im Fahrradladen gereicht habe für´s Flicken des Hinterreifens.

Letzte Woche war es wieder soweit. Abends merkte ich schon, wie der Reifen platter wurde, morgens war die Luft raus. Nur hatte ich nicht so recht Zeit, um das Fahrrad wegzubringen. Also habe ich mir das Fahrrad von Kind 2 geliehen. Mit dem Erfolg, dass mir auf dem holprigen Kopfsteinpflaster die Kette abspringt. Leute, ich hatte soooo einen Hals. Zum Glück war das um die Ecke vom Fahrradladen. Also habe ich erst das Fahrrad vom Kind dorthin gebracht, mit der Bitte Kette spannen (und bei der Gelegenheit gleich fetten), und dann beim Abholen mein Fahrrad gegen ihres zu tauschen. Ein Tag, zwei kaputte Fahrräder. Das Loch im Fahrradkorb habe ich provisorisch selbst geflickt, da hat mich dann (falscher) Ehrgeiz gepackt, wenigstens eine der Fahrrad-Malaisen selbst zu beheben.