Sonntag, 31. Januar 2021

Wintermärchen

Nachts bin ich aufgewacht, weil es geschneit hat. Nicht der Wind in den Bäumen vor meinem Fenster oder das Pladdern des Regens hat mich geweckt, sondern die Stille des stetigen Schneefalls.




Morgens im Sonnenlicht glitzert alles weiß verschneit, was in der Dämmerung weißblau gefärbt war.




Der Park neben dem Haus ist der Wintersport-Hotspot der Stadt, weil es nur wenig geeignete Rodelbahnberge gibt. 





Kurz nach sieben Uhr tauchen die ersten Familien mit Schlitten, Schneerutscher und Plastikplane auf, das Kindergequietsche und -gejuchze hallt den ganze Tag durch die Brunnenaue. Und macht gute Laune. 


Ein Haushalt plus eine Person ist die momentane Corona-Regel. Also fahren wir zu dritt nach Rügen an die Steilküste bei Wrechen. Eine niedrige Steilküste. Laufen am verschneiten Strand entlang, klettern über herabgefallene Bäume, lassen uns den Wind um die Nase wehen, trinken ein Käffchen, bewundern die Natur. 







Ohne Handy muss halt das Tablet als Fotoapparat herhalten. Wer weiß, wann wir wieder Wintermärchen haben.



Samstag, 30. Januar 2021

Angehimmelt

 Ich habe mein Handy gehimmelt. Platsch, nass, tot.


Seit Dezember habe ich eine neue Jacke, handgefertigt, nach meinen Vorstellungen. Nur - schon am ersten Tag habe ich gemerkt, dass die Seitentaschen nicht optimal sind. Keine Ahnung, wie oft ich nochmal ans Auto gegangen bin und mein Handy aus dem Schlitz zwischen Sitz und Tür oder Mittelkonsole gefischt habe. Jedesmal habe ich gedacht, du müsstest mal die Taschen ein kleines bisschen unten zunähen. Habe ich gedacht. Und nicht gemacht. Mit dem Erfolg, dass mein Handy ins Klo gefallen ist. Nicht einfach nur so abgestürzt, sondern mit Schmackes abgetaucht, bis es in der Krümmung steckengeblieben ist. Trotz aller sofortiger Trocknungsanstrengungen bleibt der Bildschirm dunkel. Es piepst beim Anmachen, aber ich kann keine Taste auf dem Bildschirm sehen, geschweige denn aktivieren. Seufz.


Zwar wollte ich mir sowieso ein neues Handy kaufen, aber nicht so abrupt. Zumal es in diesen Corona-Zeiten gar nicht so einfach ist, an ein neues Gerät zu kommen laut meinem IT-Dealer. Der mir auch noch gleich einen Vortrag hält über Nano-Sim-Karte besorgen, Google-Konto aktivieren, Backups von Chats und Telefonnummern. Uhh. Keine Ahnung, ob ich wirklich ein Google-Konto habe, und wenn ja, unter welcher meiner drei aktiven E-Mail-Adressen? Passwort dazu? Keine Ahnung.  Das wird noch lustig. Backup habe ich natürlich auch keins. Schade, meinen Liebes-Chat hätte ich gerne archiviert, der Rest kann weg. Und die Telefonnummern werden sich schon wieder einstellen. Die meisten Leute, mit denen ich regelmäßig in Kontakt bin, haben sich schon über E-Mail oder eines der Kinder gemeldet. Und manche sind auch bei Telegram, das ich auf dem Tablet als App habe.




Meine Kinder haben mir ja manchesmal eine latente Handy-Abhängigkeit bescheinigt. Nicht ganz zu Unrecht. Mein Handy fehlt mir. Heute war ich mit dem Auto in Eis und Schnee am Bodden unterwegs. Keine Fotos des dramatischen Farbenspiels von Wasser, Schnee und Schilf beim Sonnenuntergang. Und im Falle eines Falles auch keine Möglichkeit, jemand anzurufen, falls ich aus der eisigen Spur komme und in den verschneiten Graben rutsche. Ich bin sehr, sehr vorsichtig gefahren. 


Mein Handy fehlt mir, und es wird auch wohl noch 10 Tage dauern, bis ein neues Handy funktionsfähig bei mir anlandet. Bis dahin bin ich eben nur umständlich zu erreichen.


Warum "Angehimmelt" als Titel? Weil die Autokorrektur bei Telegram auf dem Tablet aus dem gehimmelt immer ein angehimmelt macht. Mir fehlt zwar mein Handy, aber angehimmelt habe ich es definitiv nicht!


Donnerstag, 28. Januar 2021

Workdate

Home Office sucks. Jedenfalls mit der Zeit. Oder in meinem elterlichen Dialekt ausgedrückt: auf Dauer von Zuhause aus arbeiten ist Driss. 

Nicht nur wegen dem unbequemen Stuhl, dem im Verhältnis zu niedrigen Schreibtisch oder dem fehlenden Drucker und dem öfters ruckelnden Internet. Sondern vor allem wegen dem fehlenden menschlichen Kontakt. Der von sozialer Kontrolle bis freundschaftlichem Plaudern reicht, und gemeinsame Pläne besprechen, Rückfragen ermöglichen sowie die andere weiß, woran ich arbeite, mit einschließt. 

Im Büro habe ich meine Kolleg*innen. Kann mit ihnen sprechen, mich besprechen über die anstehenden Aufgaben, kann sie ansprechen, wenn ich eine Frage habe. Kann mit ihnen gemeinsam einen Kaffee trinken, treffe mich mit ihnen zu Mittag.

Aber zuhause? Da bin ich alleine, muss mich selbst motivieren, strukturieren und kontrollieren. Anstrengend. Von daher finde ich die Idee, ein Workdate per Computer machen, super. Jede sitzt zuhause an ihrem Schreibtisch, aber über Zoom ist auf der anderen Seite mindestens eine, wenn nicht mehrere, mit denen ich mich austauschen kann.

Gedacht, gesagt, getan. Kind 2 und ich gründen über Weihnachten eine Arbeitsgruppe. Fast jeden Tag verabreden wir uns, um zu lernen, um Steuerunterlagen zu sortieren, um um um. Was halt gerade so anliegt auf dem Schreibtisch. Anfangs ist Kind 2 noch bei seinem Vater, da guckt Kind 1 manchmal kurz rein und schnackt mit. Eine Freundin von Kind 2 ist bei ihr zu Besuch und klinkt sich ein, sie lernt für ihr Physikum. Eine weitere Freundin muss Hausarbeit schreiben. So sitzen wir seitdem zu dritt, zu viert an unseren jeweiligen Orten und helfen uns gegenseitig diszipliniert unsere Aufgaben zu erfüllen. 

Manchmal wackelt mein Internet, dann ruckeln die Bilder, ich höre den Ton, bevor die Mundbewegung sichtbar ist. Als es einen Tag ganz schlimm ist, steigen wir um von Zoom auf Skype. Manchesmal war bei den Zoomtreffen Kind 1 wenigstens halbwegs dabei, weil die beiden Kinder parallel telefoniert oder geschrieben haben.  Von daher ist meine Freude riesig, als auf dem Skype-Bildschirm auf einmal Kind 1 auch auftaucht. Als sie im Schüleraustausch in Frankreich war, habe ich mir meinen Skype-Account zugelegt, das war meine erste Erfahrung mit Video-Fernkontakt.

Die meiste Zeit sind es wirklich Workdates. Denn auch der regelmäßige Austausch im Coaching Circle nach Theorie U und meine Regionalgruppe Nord für die Ausbildung als Naturcoach laufen über Zoom.

Doch jeden Dienstagabend ist es Feldenkrais online, alle drei Wochen ist es gemütliches Beisammensein mit meinen Studienfreundinnen. Homeoffice sucks, aber es holt mir die weite Welt ins Haus.


Montag, 18. Januar 2021

Hexenwald

Jahrelang bin ich auf dem Weg nach Sassnitz an dem Abzweig Semper vorbeigefahren.  Mitten im Wald, man kann die inzwischen wunderschön restaurierten Häuser eines kleinen Gutshofes von der Straße aus sehen. Was soll ich da noch extra anhalten. Doch diesmal wollen wir zum Hexenwald. Wie sich zeigt, gibt es nämlich noch ein Herrenhaus, quasi ein Schloss, dort im Wald. Mit einer großen Parkanlage und eben den Hexenwald. 



Vorbei an einem alten Wasserturm, der wie eine Burgruine gebaut ist, fühle ich mich fast sofort im Märchenmodus. Jederzeit kann ich mir vorstellen, wie Hänsel und Gretel durch diesen Wald gestromert sind, auf der Suche nach ihrer Brotkrumenspur. 




Doch dann laufen wir auf den Hexenwald zu. Buchen, verwachsen, verkrüppelt, verdreht, im Kreis. Später lese ich, sie wurden 1920 gepflanzt, sind eine seltene Mutation von Fagus Sylvatica, wie Buche auf botanisch heißt. Fagus sylvatica var. suentelensis heißen die Süntelbuchen korrekt. Im Süntel, einem Bergzug bei Hameln, sind sie inzwischen ausgerottet, weil Forstleute kein Interesse an nicht nutzbarem Holz haben und den dortigen namensgebenden Wald im 19. Jahrhundert schnöde gerodet haben. Sie können nur durch Absenker vermehrt werden, aus den Bucheckern wachsen wieder normalwüchsige Buchen.



Der Kreis der 10 Süntelbuchen wirkt magisch. In jeder dieser Bäume sind Gesichter zu sehen, große Augen, stumpfe Nasen. Als wenn Meerleute hier sich in diesen Bäumen verbergen, im Ringen um Wasser statt Luft für ihre Kiemen haben sie sich verdreht und gewunden. Doch gleichzeitig ist die Atmosphäre an diesem Ort ganz friedlich. Die größte Buche bildet eine Haube über dem Kreis. Jederzeit glaube ich, dass hier ein optimaler Ritualplatz ist. Jemand hat Äpfel, Kohlrabi und Hagebutten auf eine Schnur gezogen und in die Bäume gehängt. Zum Dank an die Geister?





Ein magischer Ort, ein Kraftort. Mit Kraftplätzen ist das so eine Sache. Die Römer kannten das Prinzip des Genius loci, der Geist des Ortes. Und das bezog sich nicht nur auf Naturplätze, sondern auch auf Orte, Gebäude, ganze Landschaften. Geist eines Ortes kann somit geschaffen werden. In der Geomantie ist mit Kraftplatz ein Ort gemeint, der besonders ist, der herausragt, der energetisch resoniert. Insofern kann jeder Ort ein Kraftort werden, können auch Kraftorte geschaffen werden. Der Hexenwald fühlt sich nach so einem Kraftplatz an. 1920 neu erschaffen durch die kreisförmige Anpflanzung der Süntelbuchen. Doch mit welcher Intention, für welche Energie? Schützende weibliche Mutter Erde-Kraft. Tiefe Akzeptanz des eigenen Seins, egal wie verdreht du auf die anderen wirkst. So wie du bist, bist du gut, bist du geliebt. Und finde die anderen, die genauso verdreht sind wie du. Du bist nicht allein. Womit wir wieder bei der schützenden und liebenden Mutter Erde-Kraft sind. 



Der Hexenwald bei Semper auf Rügen, ein Ort, wo es sich jederzeit lohnt hinzufahren. 


Samstag, 16. Januar 2021

Deko-Gen und Deko-Queen

Ich liebe schön gestaltete Räume. Geschmackvoll eingerichtet, liebevoll dekoriert. Ich habe da schon einen besonderen Stil, den ich bevorzuge. Landhaus-Country-Style und Jahreszeiten-Deko. Doch ich erfreue mich genauso an eher minimalistisch eingerichteten Wohnungen, an Sophisticated Urban Style. Hauptsache, es wirkt harmonisch. Und so bewundere ich die Wohnungen und Häuser vieler meiner Freundinnen, aber vor allem die meiner Schwester. Ich finde, sie sollte in Schöner Wohnen präsentiert sein, so geschmackvoll ist ihr Wohnzimmer und ihre Küche und ihr Bad und und und eingerichtet. Auch wenn ich keine Woche bräuchte, um das perfekte Interieur zu zerstören. Denn ich bin zwar in der Lage,  Schönheit in Räumen zu erkennen, bin aber nicht in der Lage, sie herzustellen.

Ich habe nur eine einzige Zeitschrift abonniert, nämlich die Landlust. Nicht zuletzt auch deshalb, weil dort oft Deko-Vorschläge enthalten sind, denen ich mich gewachsen fühle. Naja, seht selbst: Bild 1 ist wie mein Türkranz aussieht und Bild zwei ist das Titelbild der Landlust, wie die finden, dass es aussehen sollte.







Ich kann mit dem Unterschied leben, mir gefällt es trotzdem, weil es von mir ist, und ich über die Jahre immer besser geworden bin.
Dennoch - es ist eindeutig: meine Schwester hat das Deko-Gen geerbt, nicht ich, sie ist meine ungekrönte Deko-Queen ♥️. Meine Kinder haben hoffentlich die kreativen Deko-Fähigkeiten ihres Vaters geerbt und nicht meine.



Sonntag, 10. Januar 2021

Wandern durch ...

 - nein, eben nicht die Mark Brandenburg, sondern Vorpommern. Als beim ersten Lockdown klar wurde, das Regionalität Trumpf ist, habe ich mir auf Empfehlung einer Freundin das Buch "Vorpommerns schönste Ecken entdecken" von Ingo Gudusch angeschafft. Ich war auf den ersten Blick ziemlich enttäuscht, weil nur zwei Wege in der Nähe von Stralsund dabei sind. Den einen bei Barhöft kenne ich schon ganz lange, den anderen, rund um Niederhof, bin ich im Frühjahr abgelaufen. Alle anderen 21 Wege sind immer hinter Greifswald, also mindestens 40 Minuten Anfahrt. Vorpommersches Festland nennt der Autor das.

Doch dann hatte ich großes Glück. Eine der besten Freundinnen von Kind 2 lebt in Greifswald in einer supernetten WG, die auch Spaß am Wandern haben. So waren wir kurz vor Weihnachten als Geburtstagsgeschenk für sie alle zusammen wandern in den Zickerschen Bergen.


Teststart sozusagen. Letztes Wochenende ging es von Schloß Ludwigsburg durch das Naturschutzgebiet Lanken. Zerzauste Bäume am Strand, stürmischer Wind, der auch uns zerzaust hat.




Dieses Wochenende rund um den Hanshäger Bach mit dem Erosionstal Heidhörn. Ganz verwunschen und ganz Binnenland. Wir hätten an jedem anderen Ort in Deutschland sein können, wo Wald und Bach zusammen treffen 




Und immer bei 0-5º C. Je nachdem erfrischend und herausfordernd. 

Dienstag, 5. Januar 2021

Enden und Anfänge

Ich habe es gemacht! Ich bin heute auf dem Standesamt gewesen und habe unterschrieben. Keine 10 Minuten hat es gedauert. Das fasziniert mich immer wieder. Dass Ereignissse, die mit soviel Emotionen verbunden sind, so schnell durchgezogen sind.


Ich bin aus der katholischen Kirche ausgetreten. Ich habe es gemacht!


Das wollte ich schon mal als junge Frau, aber damals hat meine Mutter mich bequatscht, es nicht zu machen. Ich komme aus einer positiv sehr katholischen Familie, war aktiv in einem katholischen Jugendverband, und habe den Ritus, den Glauben an sich in sehr guter Erinnerung. Ich habe mich gestört an der marginalen Rolle, die mir die katholische Kirche zumutet, deshalb wollte ich damals da raus. Wenn ich nicht Messdienerin sein darf, nicht aktiv gestalten darf, was soll ich da. Dabei durfte ich, knapp illegal, als 18jährige im Aachener Dom die Messe zur 100sten Werkwoche mitzelebrieren. Ich mag Rituale 😊 und dort oben im Chorraum am Altar stehen, das hat sich gut angefühlt. 


Als Studentin hat sich die Frage nicht mehr gestellt. Ich bin mit meinem späteren Mann, Pastorensohn, in die evangelische Universitätskirche gegangen, da bin ich aufgeblüht. Ich hatte mit meiner Nachbarsfreundin den Konfirmationsunterricht mitgemacht, insofern war ich schon zweisprachig im christlichen Ritus. Evangelisch geheiratet, evangelisch getaufte und konfirmierte Kinder, evangelische Gottesdienste mitgestaltet, selbst unser Scheidungsgottesdienst war evangelisch. Auch so ein Ding, dass mich aus der katholischen Kirche treibt, der Umgang mit Geschiedenen, überhaupt mit Sexualität. Dennoch fühle ich mich mit Gott verbunden.


Auf meiner Kur in Heiligenfeld, nach meinem Burnout, war ich in der Therapiegruppe für spirituelle Krisen. Ich musste mit Gott meinen Frieden machen, dass er die Brüche und Verluste in meinem Leben zugelassen hat. Und mir die Erlaubnis geben, auf dem spirituellen Weg, auf dem ich bin, weiterzugehen. Auch wenn er mich folgerichtig aus der katholischen  Kirche austreten lässt. 


Doch alleine hätte ich das nicht geschafft. Gleich zwei Menschen, die ich sehr schätze, die beide sehr aktiv in der katholischen Kirche waren,  sind letzte Woche aus der Kirche ausgetreten. Das hat mich nochmal sehr dazu gebracht, meine innere Feigheit zu überdenken, meine Bequemlichkeit, mein es einfach so weiter laufen lassen. Doch wenn ich ehrlich bin, klar, ich mag Gott, ich mag die christlichen Werte, den Ablauf im Kirchenjahr, ich bin darin heimisch. Aber ich mag nicht die Ablehnung von Sexualität, von Frauen, von Gleichberechtigung. Dafür stehe ich nicht. Auch nicht für die Vertuschung von sexuellem Missbrauch, von Machtmissbrauch, von Männerbünden und toxischer Männlichkeit. So ist es nur logisch, dass ich heute morgen um 10 Uhr im Standesamt angerufen habe und um 16 Uhr unterschrieben habe, dass ich nicht mehr Mitglied in der katholischen Kirche bin. Ich habe es gemacht! Jetzt warte ich mal ab, was mein Umfeld dazu sagt und harre der Dinge, die da sonst noch so kommen. 


In jedem Ende liegt ein neuer Anfang und hinter jedem Anfang wartet ein neues Abenteuer….

(Miguel de Unamuno y Jugo, spanischer Philosoph, Dichter und Essayist)