Mittwoch, 19. Juni 2019

Pori-Mäntyluoto

In der Törnausschreibung stand Pori als Starthafen. Wenn Pori nicht gerade die Partnerstadt von Stralsund wäre, wüsste ich noch nicht mal, dass es den Ort überhaupt gibt. Doch auch so hat mich die Stadt beim Durchfahren nicht überzeugt. Ziemlich viel Plattenbau und in den Randbezirken die üblichen Einfamilien-Schwedenhäuschen. In Pori hatte ich keinen richtigen Aufenthalt, sondern bin nur durchgefahren bzw. umgestiegen von Bahn auf Bus. Denn - der Hafen ist nämlich seit knapp 200 Jahren versandet und liegt jetzt 20 km ausserhalb in Mäntyluoto. Nennt sich aber selbstredend Port of Pori. Was die trostlose Hafenlandschaft auch nicht besser macht.


Hier sehe ich live, wie sich Ende des Industriezeitalters anfühlt. Das Flair im Hafen erinnert an Dritte-Welt-Land. Rostige Kräne, kaputte Straßen, und keinerlei Umschlag.



Aus Zeiten, als hier noch blühende Landschaften waren, gibt es in Mäntyluoto eine deutsche Seemannsmission. Der deutsche Pastor kommt an Bord und lädt uns zu einem gemütlichen Abend in seinen Club. Denn das ist der eigentliche Inhalt seiner Arbeit. Nicht Mission bzw. Missionierung, sondern Club, Aufenthaltsort, Heimathafen für Seeleute. Aber in Mäntyluoto kommen halt kaum noch Schiffe vorbei, deshalb wird die Station zum Jahresende geschlossen. Egal - wir genießen die Gastfreundschaft mit finnischem Leichtbier, Billiard spielen und netten Gesprächen.



Trotz trostlosem Hafen ein netter Beginn des Törns.

Dienstag, 18. Juni 2019

Und sonst so?

Zum Mittagessen am Sonntag gerate ich in das Burger Lovers Festival. Soviele tolle Burger-Angebote, dass ich gar nicht weiß wofür ich mich entscheiden soll. Ich nehme die analoge Variante von Trip Advisor, sprich ich stelle mich in die zweitlängste Schlange. Die längste ist so lang, bis dahin wäre ich verhungert. Und der so empfohlene Burger mit medium gebratener Rindfleischbulette, Rote-Zwiebel-Chutney und Avocado schmeckt himmlisch.



Den anderen Mittag verbringe ich in der Touristenabzocke im Zelt direkt am Hafen. Doch im Gegensatz zu meinem Vorurteil bekomme ich einen reellen Gegenwert für mein Geld. Ein Teller voll mit kleinen fritierten Fischen, frischem Gemüse und kleinen, kugelrunden Kartöffelchen. Mjajajam.



Seurasaari, das Freilichtmuseum hat einen eigenen Strand. Ich stecke die Füße in die Ostsee, genieße den ruhigen Nachmittag, doch für richtiges Baden ist es mir zu kalt.


Der Bus für die Rückfahrt hat zwar einen Anschluss für mein Handy aufzuladen, doch ich habe kein Kabel dabei. Und so genieße ich den Aperol Spritz auf der Terrasse von Allas Sea Pool im Sonnenuntergang ohne ein Foto machen zu können.


Auf Vallisaari, mitten im Wald an einer Kreuzung befindet sich eine Bar. Leider habe ich etwas Verständnisschwierigkeiten mit der jungen Barkeeperin, so dass ich ein Lonkeroeis (*lies: Gin-Grapefruit-Eis) UND ein Himbeereis bekomme. Macht nix, beide munden vorzüglich.



Überhaupt Kaffee an allen Ecken. Den besten Kaffee gibt es bei Robert Cafe Jugend, in der schicksten Umgebung überhaupt. Original erhaltener Jugendstil, auch wenn die herbstlichen Motive nicht so recht zum Sommer vor der Tür passen.




Und sonst so? Helsinki ist eine Reise wert, im Sommer wie im Winter.

Inselhopping

Eines der Dinge, die ich letzten November auch nicht in Helsinki machen konnte, ist Böotchen fahren. Nur im Sommer werden die Kanaltour und das Inselhopping angeboten. Also auf zum Hafen. Die Kanaltour führt durch die "Hinterhöfe" der reichen Helsinkier und Helsinkierinnen. 10 Minuten vom Zentrum entfernt, inmitten der Natur. Jedes Haus hat einen Anlegesteg, eine Sauna direkt am Wasser. Und manche sogar ein Wasserflugzeug.






Die Tour führt aber auch an Industrie und der Eisbrecherflotte vorbei. Großstadt am Wasser im Norden.



Der Hit ist aber das Inselhopping. Drei Inseln, eine Tageskarte. Und so wandere ich über Vallisaari, mitten durch unberührte Natur, lasse mich von Gänsen mit Nachwuchs anfauchen, blicke über die Ostsee. Sehe die Kasematten von Suomenlinna von der See-Seite. Schaue der Ostsee zu, wie sie auf die Felsen schlappt. Schwappt und schlägt, immer in Bewegung ist.





Betrachte fasziniert, wie die Natur die alten Armee-Bauten übernimmt. Selbst Beton bricht ein unter der Wucht der Naturkräfte.


Lonna ist so klein, dass ich die Insel in 15 Minuten umrunde und in das nächste kommende Schiff einsteige.


Ein ganzer Tag nur draussen unterwegs, per Schiff und per pedes. Immer die Skyline von Helsinki im Blick. Die Natur und die Stadt sind sich ganz nah, auf Sichtweite sozusagen.



Abends bin ich platt und habe Sonnenbrand auf der Nase.


Museumstag in Helsinki

Als ich letztes Jahr im November in Helsinki war, habe ich mich geweigert, auch nur ein Museum von innen zu sehen. Die wenigen Stunden, in denen es hier um diese Jahreszeit heller ist, wollte ich lieber draussen verbringen. Doch jetzt ist kurz vor Mittsommer, die Tage sind lang, die Nächte kurz. Also besuche ich das Finnische Nationalmuseum und das Freilichtmuseum auf Seurasaari.

Finnisches Nationalmuseum:


Eingang ins Freilichtmuseum Seurasaari


Die Vorgeschichte ist im Keller des Nationalmuseums untergebracht und ist gruselig, finde ich. Alle Zeiten durcheinander geworfen, ein bisschen zu archäologischen Fundsituationen, ein bisschen hier, ein bisschen da. Pflichtgemäß abgehakt, kann ich niemandem empfehlen hinzugehen. Heimatmuseum eben.


Was aber toll ist, sind die drei laufenden Wechselausstellungen. Im Museumscafe und im Hof stehen großformatige Glasbilder, bearbeitete Fotografien von Lauri Nykopis Kuivopuistu. Sie hat die finnische Natur durch ein (Computer)Kaleidoskop geschickt. Ganz neuer Blick auf gut bekannte Natur.


Ganz andere Fotos von Nick Brandt. Die Ausstellung heißt "Inherit the Dust". Er hat eigene ältere Tierfotos aus Afrika lebensgroß abgezogen. Und sie dann zum Teil genau an der Stelle hingestellt und nochmal fotografiert, wo das ursprüngliche Bild entstanden ist. Beeindruckend bedrückend. Zerstörung von Naturraum sehr plastisch dokumentiert. Inherit the dust! Eher: Erbe die Asche.


Dazu passt die dritte Ausstellung Traces. Spuren. Das Nationalmuseum hat auch eine ethnographische Sammlung. In einem einzigen Raum in einer eher schrankwandähnlichen Vitrine zum drumherumgehen werden Artefakte aus Tier gezeigt. Das reicht von dem altbekannten Papierkorb aus Elefantenfuß bis zu verschiedenen Federhüten. Weil finnische Forscher und Missionare aber auch Polarregionen und den Norden bereist, erforscht, besammelt haben, beinhaltet die Ausstellung auch Stücke aus meinen Lieblingsregionen. Eine Eisbärenfellhose aus Grönland, ein Plaid aus aufgenähten Schwanendaunen aus Nunavut, ein Schlitten mit Walrossknochenkufen vom Kap Dezhnev in Tschukotka.


Und an den Wänden eine Diskussion über Tierrechte und den Menschen als Krone der Schöpfung. Bis hin zum Wiedergeburtsglauben der Hindus, wo man für böse Taten durchausmal nicht mehr als Mensch wiedergeboren wird, sondern als Tier. Stoff zum Nachdenken. Denn da bin ich Schamanin, Animistin, Christin durch und durch. Wahrnehmung von Natur als beseelt, Respekt vor der Schöpfung als Gottes Geschenk, Annahme des Geschenks auf respektvolle Weise. Und das schließt notwendige Nutzung mit ein. Die Grenzen, das Ausmaß, das sind die Fragen, die mich umtreiben.

Im Freilichtmuseum auf der Insel Seurasaari gibt es keine Tiere. Die Höfe und Häuser sind leer bis auf Möbel und ein paar Utensilien zum alltäglichen Leben. Spannend finde ich die Siebe, die ich allenthalben sehe. Quelle 
Aber nur, weil ich aus anderer Quelle weiß, dass sie zum wahrsagen und für Seancen genutzt wurden. Dennoch bekomme ich ein Gefühl für das ländliche Finnland des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Und vermutlich tausende Jahre vorher. Direkt neben Seurasaari liegt Pokkisaari. Dort ist ein eisenzeitliches Dorf aufgebaut. Und die Unterschiede sind bis auf Kirche und Pastorat nicht groß. Erst mit Sommerhäusern und dem Kontakt mit der Stadt verändert sich der Baustil. Form follows function mal ganz anders interpretiert. Die finnischen Ackerbauern mit ihren Tieren unterm gleichen Dach, dazu Scheunen und Schuppen, mit einzigem Baumaterial Holz, hatten nicht viel Grund was anderes als Blockhäuser zu bauen.







Was mir aber wieder auffällt: schon bei der Traces-Ausstellung kein Exponat von den Sami, den Rentiernomaden Skandinaviens, die früher Lappen hiessen. Sami gibt es in Schweden, Norwegen, Finnland und Russland. In einem Freilichtmuseum, das ein Blockhaus aus Karelien zeigt, das politisch mal zu Finnland, heute zu Russland gehört, müsste doch auch was zu Sami stehen. Tut es aber nicht! Kulturimperialismus durch verschweigen. Unterdrückung ist Unterdrückung. Wir Europäer*innen haben da nämlich auch keine weiße Weste im Umgang mit der eigenen indigenen Bevölkerung.

Samstag, 15. Juni 2019

Reisefieber

Der Husten ist immer noch nicht weg. Er wird zwar langsam weniger, doch durch und durch gesund ist anders. Egal. Heute beginnt mein Urlaub, heute geht es auf die Reise.

Und ich bin insofern nervös, als ich dieses Mal nicht viel vorbereiten konnte konnte. So kommt ein Haufen Unwägbarkeiten zusammen, mehr als sonst. Vieles werde ich ad hoc bzw. vor Ort klären müssen.

Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt: der ICE von Binz nach München bringt mich nach Berlin. Heute Nacht bette ich mein Haupt in Helsinki.





Für die beiden Tage in Helsinki steht mein Programm.
Doch dann? Kommen die ersten Unwägbarkeiten. Es fehlt das Ticket für den Zug nach Pori. Ich habe es nicht geschafft, eine Email damit zu bekommen, ich habe nur eine Bestätigung, das ich reserviert habe. Und angekommen in Pori, gilt es herauszufinden, wie ich nach Mäntyluoto, dem 20 km entfernten Hafen von Pori, komme.
Bin ich dann erst auf der Alexander von Humboldt 2, finde ich hoffentlich den Abend Zeit und Ruhe den Kojen- und den Wachplan zu tunen. Bevor die Crew an der Gangway steht!

Die nächsten Unwägbarkeiten stehen dann mit der Einreise nach Kaliningrad an. Inklusive einer kleinen Bordfeier mit Einheimischen. Richtig bunt wird es danach. Ich bin bei einer Юлия angemeldet für zwei Übernachtungen. Sie kann nur russisch. Da wird sich zeigen, was ich (nicht) gelernt habe und wie gut Google Translator funktioniert. Die Rückfahrt? Naja, ich weiß, wie die Strecke von Kaliningrad über Danzig und Stettin nach Stralsund verläuft mit Bus und Bahn. Bisher habe ich weder Ticket noch Reservierung. Wird schon werden. Ich habe den grünen Virus und Reisefieber, kein echtes Fieber. Und der Hustenvirus wird auch immer weniger.

Donnerstag, 13. Juni 2019

Rammziege

Deutsche Sprache - schöne Sprache. Nicht zuletzt weil sie lebendig ist und sich kreativ formen lässt. Nichtsdestotrotz wirft sie mich manches mal in die Genderhölle. Eine Profi klingt so falsch in meinen Ohren. Profine geht gar nicht, da kann man gleich Schlumpfine sagen Eine Profa wäre eine Möglichkeit, um einen weiblichen Profi zu bezeichnen, aber das wäre ein ganz neues Wort, das erst mal gar keiner auf Anhieb zuordnen kann. Doch für eins von beiden werden wir uns irgendwann entscheiden, vermute ich mal. Ich bin da gespannt, wohin die Reise geht.
Über die Rammziege bin ich in ZeitOnline gestolpert. Oliver Fritsch benutzt das Wort, um zu beschreiben wie eine Fussball-Nationalspielerin bei der WM in Frankreich agierte. Steinziege als Äquivalent zum Steinbock kannte ich schon, Rammziege ist für mich neu. Mir gefällt das Wort, klingt gut, finde ich.

Mich freut diese Frische und dieser Wagemut von Oliver Fritsch, sich völlig unverkrampft und unverkennbar in diese meine geliebte Gendersprachhölle zu begeben. Da Sprache Realität und Alltag abbildet, bildet sie eben auch die Veränderung der Gesellschaft mit ihren veränderten Geschlechterrollen ab. Und gebiert neue Sprache, neue Möglichkeiten, etwas auszudrücken, etwas zu beschreiben.

Ich bin immer total genervt, wenn in der Zeitung mal wieder so ein Artikel gegen gendergerechte Sprache steht. Ich finde das so oldfashioned. Zumal in meinem Umfeld die meisten Leute wie selbstverständlich halbwegs gendern. Einfach, weil sie es logisch finden. Ist die Kanzlerin eine Frau, heißt sie auch die Kanzlerin. Fertig. Gleiches gilt für die Rektorin, die Dekanin, die Hausmeisterin. Und eben Studierende statt Studenten. Immerhin sind 50 % unserer Studierenden weiblich (50 % unserer Studenten sind weiblich. Das ist mal ein Satz. Bedeutung wäre ein ziemlich hoher Anteil von Leuten, die sich in Transition von einem Geschlecht zum anderen befinden ☺).
Diese Artikel beruhen oft auf einer Pressemitteilung des Vereins für Deutsche Sprache. Nun ist das in Deutschland so, dass wir nicht nur Redefreiheit und Vertragsfreiheit haben, wir haben auch Vereinsfreiheit. Jeder und jede kann einen Verein gründen. Henning Lobin untersucht in seinem Blog-Beitrag "Die Ablehnung der Gendersprache - medial produziert", was ich nur diffus geahnt habe. Durch das Zusammenspiel verschiedener Vereine und im Endeffekt einem überschaubaren Pool von Leuten wird eine mediale Zustimmung produziert. Nur - wie gesagt, in meinem Umfeld nehme ich das ganz anders wahr. Die gegenderte Sprache setzt sich immer mehr durch. Die Realität ist: Es gibt viel verbale Zustimmung zu dieser Ablehnung, und trotzdem wird gegendert in Schrift und Sprache. Ohne viel drüber nachzudenken. HÄ? Verbale Zustimmung bei gleichzeitiger Verhaltensstarre (frei nach Ulrich Beck)? Nein, umgekehrt. Verbale Verhaltensstarre bei realer Umsetzung des Abgelehnten.

Die Gesellschaft für deutsche Sprache ist da so viel realistischer und zeigt mit Augenmaß, wie sich gendern lässt, ohne großen Stress. Selbstverständlich eben. So soll es sein.
Und ich freue mich schon auf neue Wortschöpfungen!

Mittwoch, 12. Juni 2019

Köstlichkeiten

Sommerempfang von Invest in MV im Pommerschen Landesmuseum. Ernennung der Wirtschaftsbotschafter und -innen MV. Die Frauenquote von 12 % fand ich so niedrig, dass ich Susanna Masson-Wawer mit ihren drei Firmen vorgeschlagen habe. Ihre Firma für Dekorationsobjekte aus Fiberglas stürmt sowieso die ausländischen Märkte, mit den entsprechenden Kontakten, so dass sie ob mit oder ohne Titel Wirtschaftsbotschafterin für's Land MV ist. Und was soll ich sagen: sie wird ernannt.
Frauen an die Macht. Antje Draheim, die ich noch aus meiner Zeit als Vorsitzende des Landesfrauenrats kenne, ist in Berlin als neue Chefin der Landesvertretung die Nachfolgerin von Frau Martin, der neuen Bildungsministerin.

Nun ist der Tag ein heißer Sommertag, und das Pommersche Landesmuseum ist nicht für seine begnadete Technik bekannt. Die Klimaanlage wirkt nur an bestimmen Punkten im Saal. Die Rückkopplung des Mikro mit was weiß ich führt wie eh und je zu den altbekannten akkustischen Ausbrüchen der Technik. Dafür ist das pommersche Landesmuseum bekannt für sein begnadetes Catering. Das Museumscafe hatte eine zeitlang sogar einen Stern. Und so schwelge ich an diesem frühen Sommerabend mit Erdbeeren, die erst in Schokolade und dann in Kokosflocken getaucht wurden, Aprikosenhälften, deren Kern durch ein Kügelchen Mousse au chocolat dargestellt wird, Himbeeren auf einem Bett von Zitronenschaum. Köstlich.


Samstag, 8. Juni 2019

Verkürzte Reisevorbereitung

Inzwischen bin ich schon ganz routiniert, wenn es wieder auf's Schiff geht. Knapp drei Wochen vorher die Packliste raussuchen, kurz checken was fehlt. Knapp zwei Wochen vorher alles zusammen legen, etwaige fehlende Sachen besorgen. Fahrkarten und Unterkunft überprüfen. Denn in der letzten Woche vor der Abfahrt habe ich dafür keine Zeit und keinen Kopf mehr. In der letzten Woche vor Abflug muss ich als Verwalterin auf der Alexander von Humboldt 2 die Kojenbelegung und den Wachplan bedenken, überdenken, einteilen. Und auf Arbeit alle losen Fäden und Projekte beenden bzw. übergeben.
NUR - dieses Jahr bin ich die dritte und die zweite Woche vor Abfahrt ausgeknockt. Nächsten Samstag fliege ich los, und habe bis auf mein Visum für Russland, Unterkunft und Hinfahrt noch nichts gecheckt und erledigt. Denn das habe ich alles schon vor sechs Wochen gemacht. Nächste Woche wird bunt.

Sonntag, 2. Juni 2019

Nervling

Eine Freundin von mir kellnert im Surfhostel auf Ummanz. In der Tikibar in der Südsee. Und Freitag Abends ist dort Livemusik. Also - das Ränzel geschnürt und auf nach Rügen Südwest. Die Bar ist eine Kreuzung zwischen einem norddeutschen Hallenhaus bzw. Scheune und einem polynesischen Versammlungshaus. Südsee auf Rügen.

16.30 Uhr sind wir da, die Band bzw. das Duo Nervling fängt allerdings erst 21.30 Uhr an. Zeit genug, das Gelände zu erkunden, am Wasser spazieren zu gehen, den Kitern zu zu gucken, mit unserer Freundin an der Bar zu quatschen.

Um 22.15 Uhr habe ich die Vollkrise. Das Duo Nervling nervt. Nicht die Musik, die ist so gut wie auf YouTube gehört. Aber die Ansagen sind unter aller Kanone. Soviele Klischees, soviel dumme Aussagen habe ich lange nicht mehr gehört. Rumzujaulen, dass nur von Tourismus unberührte Gebiete gute, ursprüngliche Gebiete sind, ist bei einem Auftritt auf Rügen eher kontraproduktiv.
Oder über Jamaika und Mexiko schwärmen, dass die Menschen dort so hilfsbereit sind und in Florida, die Amerikaner so gierig. So platt, so undifferenziert.
Die Musik ist grandios, die Sängerin hat eine ungewöhnliche, ausdrucksstarke Stimme. Gute Texte, gute Instrumentierung. Nur die Ansagen müsste sie sich klemmen.





Samstag, 1. Juni 2019

Hustenbonbons

Ralf Dörnen, der Ballettmeister am Theater Vorpommern, ist Schüler von Pina Bausch und John Neumeier. Er heimst immer wieder Preise mit seinen Aufführungen und Choreografien ein. Das Ensemble umfasst 12 Tänzerinnen und Tänzer, ist also überschaubar. Dennoch finden sich jedes Jahr zwei junge aufstrebende Choreograf*innen, die im Rahmen der Tanzzeit mit dem Ensemble moderne Tanzstücke einstudieren. Einstudieren wollen. Vermutlich gibt es im Hintergrund einen Auswahlprozess und Konkurrenzkampf. Für die Tänzer*innen gibt es ihn. Sie müssen für die Choreograf*innen vortanzen.

Tanzzeit Premiere also. Zwei Choreografen mit internationalem Background, Finnland, Großbritannien, Portugal. Ausgebildet in den Heimatländern und weitergebildet in Russland, Deutschland und wer weiß wo.
Spätestens dann merke ich wieder die Mehrsprachigkeit des Balletts, die unterschiedlichen Tanzstile der unterschiedlichen Choreograf*innen, der unterschiedlichen Schulen und Regionen der Welt.


Das eine Stück heißt Bridging, das andere Lonely Planets. Beide kreisen um das gleiche Thema: Menschen und ihre Beziehungen zueinander. Auch wenn sie laut Textheft unterschiedliche Sichtweisen und Herangehensweisen haben wollen, die Episoden auf der Bühne ähneln sich. Schmerzhaft. Ob nun Menschen zueinander Brücken bauen wollen, oder sich als einsame Planeten empfinden, die sich zueinander sehnen, die Tänzer*innen bewegen sich aufeinander zu, voneinander weg. In beiden Stücken kommen sie nicht zusammen. Da die Tänzer*innen moderne Klamotten tragen, sind die Bezüge zur Jetztzeit so überdeutlich. Ich vertraue nicht darauf, was Leute sagen, ich glaube nur, was Leute tun. Ballett ist Tun. Vielleicht fassen mich die beiden Stücke auch deshalb so an. Dystopische Beziehungen, selbstgemacht, immer wiederkehrend aktiv hergestellt. Und ich sehe auch die Lücken, die kurzen Augenblicke, wo anderes Verhalten möglich wäre. Und nicht getan wird, nicht ertanzt wird.

Und was haben jetzt die Hustenbonbons damit zu tun? Ganz einfach - ohne sie hätte ich die Ballettaufführung nicht durchgestanden. Klugerweise steht auf dem Garderobentresen ein großes Glas mit Hustenbonbons von Fischermens in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Zwei vor der Pause, zwei nach der Pause. Und kein Hüstler, kein trockener Reizhusten, kein Bellen, kein Röcheln. Nix. Eine vorbildliche Zuschauerin bin ich.