Montag, 27. Dezember 2021

13 Wünsche für 2021

Letztes Jahr hatte ich deutlich mehr als 13 Rauhnachtwünsche für das Jahr 2021. Da galt es auszusortieren. Einer der Wünsche, von denen ich mir vorstellen konnte, ihn quasi alleine, ohne viel himmlische Unterstützung zu bewältigen, war dieser:

Kraniche falten lernen. Jemand finden, der mir das beibringt. 


Ich will seit ein paar Jahren schon lernen Kraniche zu falten. Die Geschichte dahinter, von Sadako Sasaki aus Hiroshima hat mich schon beim ersten davon hören fasziniert. Kraniche als Glücksboten, als Vögel des Friedens. 


Zehntausende Kraniche rasten jeden Oktober bei uns auf den Äckern, ihr Anblick, ihr Rufen und Trompeten gehört für mich zum Herbstgefühl. Und erinnert mich an den tiefen Wunsch nach Frieden in dieser Welt. 




Die Ranger*innen des Kranoramas können Kraniche falten, vermutlich mit geschlossenen Augen. Doch nie hat es in den letzten drei Jahren mit einem Termin geklappt, trotz meiner guten Kontakte. Dessen ungeachtet,  weil - es steht ja auf dem Zettel - habe ich es dieses Jahr geschafft, Origami-Papier zu besorgen, gleich in drei Größen. Zum Üben das 25 x 25 cm-Papier, dem 15 x 15 cm-Papier und erst recht dem 10 x 10 cm-Papier fühle ich mich auf Anhieb nicht gewachsen. 


Ich habe mir gleich zwei Anleitungen ausgedruckt. Die ich nicht begreife im wortwörtlichen Sinne. Das was dort abgebildet ist, können meine Hände nicht umsetzen, nicht begreifen. Und so ist es ein Segen,  dass am 1. Weihnachtstag Teresa mich besucht. Die mir eine Kette von Kranichen schenkt.




Das ist meine Chance. Teresa führt mich Schritt um Schritt durch die Faltungen führt. Meine Hände begreifen es mit ihrer Begleitung. 



Der dritte Kranich gelingt mir alleine, mit der Erinnerung in meinen Händen, mit der Erfahrung meiner Hände. Ein Zeichen der Hoffnung, dass es mir gelingt, Frieden zu wahren in meiner Welt. 


Samstag, 18. Dezember 2021

Matriarchat für Männer

In grauer Urzeit, vor langer, langer Zeit, so fangen die meisten Geschichten an, die mit Archäologie oder Ur- und Frühgeschichte zu tun haben. In diesem Fall ist die vor langer, langer Zeit-Aussage etwas über ein Jahr her. Nämlich die Frage, ob ich mich an einem Crowd-Funding für ein Booklet zu Geschlechterstereotypen in der Archäologie beteiliegn würde. Da ich ein paar Entwürfe schon gesehen hatte, war ich sofort Feuer und Flamme und habe meine Kreditkarte gezückt. Und dann auch als Dankeschön eine Leinentasche und das Buch zugeschickt bekommen.




24 wunderbare archäologische Stereotype aufgedröselt und entlarvt, bildlich, sprachgewaltig, informativ.

 


Stereotype 10: Prehistoric female depictions are mother goddesses.
From Bisserka Gaydarska. "Let's be clear - there ist no evidence for such an essentialist link in prehistory!"

Stereotype wie: Aktive Männer - passive Frauen, Nur hochrangige Männer konnten schreiben und lesen, Es gibt nur zwei soziale Geschlechter, Gleichgeschlechtliche Sexpraktiken sind eine moderne Erfindung oder eine Störung. Alles auf Englisch natürlich. Weltweite Wissenschaftssprache halt. Oberspannend. Und eben: Prähistorische Gesellschaften sind entweder matriarchal oder patriarchal. Wie alle anderen Stereotypen in diesem Buch wird auch dieses als viel zu eng entlarvt. Die Welt war eben zu allen Zeiten bunter als die Altvorderen Herren Archäologen im 19. und 20. Jahrhundert postuliert haben und die jungen Altvorderen Archäologen uns glauben lassen. Da hat sich viel patriarchales Herrschafts"wissen" (eher Herrschaftsgehabe) verfestigt. Das Buch räumt damit gründlich auf.


Ich finde ja, Archäologie ist eine Grundlagenwissenschaft, eben weil sie Ausssagen zu gesellschaftlichen Verhältnissen macht.

 

Genderstereotypes in archaeology. A short reflection in image and test. Edited by Laura Collofean Arizancu, Bisserka Gaydarska & Uros Matic. Illustrations by Nikola Radosavijevic. Sidestonepress Leiden 2021.

Und das tollste ist: das Buch gibt es auch online.


Mittwoch, 15. Dezember 2021

Napier University Edinburgh und gelebter Feminismus

Kind 2 zeigt mir ihre Hochschule. Spannender architektonischer Mix aus Alt und Neu. 


Innendrin fallen mir Dinge ins Auge, die ich mir an meiner Hochschule auch wünsche. 


In Deutschland brauchte es eine riesige Debatte, bis Hygiene-Produkte für Frauen als notwendige Mittel des täglichen Bedarfs anerkannt wurden, und seit dem 1.1.2020 nur noch 7% Mehrwertsteuer enthalten. Und was heißt überhaupt Hygiene-Produkte für Frauen? Seit ich den Film Red Cunt gesehen habe, bin ich noch mehr sensibilisiert dafür, wie sehr in unserer Kultur die Regelblutung, die Periode, die Menstruation, verschwiegen wird, unsichtbar gemacht wird. Da freut mich das kostenlose und offensive Angebot für Tampons in der Uni-Toilette doppelt. Zumal es seit 2020 in Schottland flächendeckend gesetzlich vorgeschrieben ist, Tampons in Schulen und Universitäten kostenlos vorzuhalten. Das wünsche ich mir für Deutschland auch.



Wie mich auch diese beiden Aussagen im Bildschirmsystem begeistern. Einfach mittendrin im üblichen Informationsangebot zu Öffnungszeiten, Prüfungsanmeldung, Hausordnung, Werbung für zusätzliche Workshops etc.. 



Die Angelsachsen sind da wirklich weiter als wir.



Gelebter Feminismus im Alltag. Übel übel, dass eigentlich kleine Gesten nicht Alltag sind, sondern so ein großes Wort wie Feminismus brauchen. 



Montag, 13. Dezember 2021

Kurztripp nach Edinburgh


Einhorn und Löwe auf einem keltischen Kreuz am Edinburgh Castle 


Einhorn und Löwe als Weihnachtsschmuck im Palace Café von Holyroodhouse.

Beide zusammen gehören ins Wappen des Vereinigten Königreichs von Großbritannien. 





Kind 2 studiert im Auslandssemester in Edinburgh. Ich möchte sie gerne besuchen, doch Corona hat besondere Hürden vor einen Besuch gesetzt. Einen Tag vor Abflug beschließt die britische Regierung, dass ab 4 Uhr morgens jeder Einreisende, und jede Einreisende, einen Negativ-Test vorweisen muss. Kennt ihr die Vokabeln LAMP- und LFD-Test? Ich kannte sie nicht. Zum Glück hat die Fluglinie meine (LFD-)Bescheinigung vom Hochschultestcenter anerkannt. Montags und Mittwochs testen lassen ist nämlich meine Devise, Schnelltest unter Aufsicht. Sicher ist sicher trotz geimpft. Wie wir auch freiwillig einen PCR-Test machen vor dem Rückflug.

 

Sechs Formulare braucht es nach Schottland einzureisen, für die Ausreise nur drei.

 

Seven Hills of Edinburgh

Edinburgh behauptet von sich, genau wie Rom sei die Stadt auf sieben Hügeln erbaut worden. Es gibt richtig einen Seven Summit Wettlauf jedes Jahr, doch wir lassen es langsamer angehen. 

 

Immerhin vier von sieben Hills besteige ich im Verlauf der paar Tage, jeder berührt mich auf seine Weise, Castle Hill, Calton Hill, Costorphine Hill und Arthurs Seat. Craiglockheart East habe ich nur von unten gesehen, die Hochschule des Kindes liegt direkt daneben, das war mir wichtiger, die von innen zu sehen. Und ganz nebenbei Anregungen für meinen Hochschulalltag zu gewinnen.

 

Jeder Hügel ist anders, jeder Hügel begeistert mich.

 

Arthurs Seat ist bei weitem der höchste Hill von den sieben mit 251 m.

Costorphine Hill liegt direkt am Wohngebiet von Kind 2 und ist sehr naturbelassen.

Castle Hill mit der Burg zeigt sich in schottischem Regen. 

Calton Hill hat klassische Bildung mit seinen verschiedenen Monumenten.

Edinburgh hat nicht nur Hills, Edinburgh hat auch einen Hafen. Gelegen am Firth of Forth, einer Bucht der Nordsee, gibt es Ebbe und Flut, Strand, Seefahrtsgeschichte. In Leith erleben wir all das hautnah bei unserem Ausflug .




 

Fast jeden Tag 15.000 Schritte, jeden Tag Natur.

 

Christmas at the botanics

Im Botanischen Garten treffen sich Natur und Kultur. Wir wandern den illuminierten Weg der Lichtershow, hören die passende Musik aus den versteckten Lautsprechern und lassen es uns den ganzen Abend gut gehen. Jetzt befinde ich mich richtig in Weihnachtsstimmung.

 







Und nebenher noch Castle Lights, die mehr als dramatische Beleuchtung von Edinburgh Castle.

 


Fast jeden Tag 15.000 Schritte, jeden Tag Natur, und jeden Tag Kultur.

 

The Taste of Scotland

Dank der Empfehlung einer Studienfreundin von mir buchen wir die Platinum-Tour der Whiskey Expirience mit Taste of Scotland hinterher. Ein super Tipp, obwohl ich kein Whisky-Fan bin. Doch wenn ich schonmal in Schottland bin, dann bin ich bereit, neue Geschmackserfahrungen zu machen. Vielleicht täusche ich mich ja, und Whisky wird mein neues Lieblingsgetränk.

 

Fünf schottische Whiskeys auf fast nüchternen Magen. Wirklich große Geschmacksunterschiede, von rauchig über malzig, von Ananas bis Birne und Zitrone. Aber keiner überzeugt mich so wirklich. Ich bleibe eine Gin- und Wodka-Trinkerin. Das Essen dagegen begeistert mich. Häggis ist mein Favourite, aber ich mag ja auch Grützwurst und Panhas. Beim 6. Whiskey zum Nachtisch ist der Alkoholpegel schon wieder soweit gesunken, dass wir friedlich mit der Tram nach Hause kommen. 








Überhaupt das Essen. Fish and Chips mit Mashed Peas, Mayo und caramelised carrots, mjamjamjam. Die vegetarische Version Fish, cheese and beans sieht zwar gewöhnungsbedürftig aus, ist aber lecker. Mac and cheese und Hot Dog bacon vom Food Court im Botanischen Garten sind auch eine neue Geschmackserfahrung, aber nur ok.



English breakfast in fast vegan.



Mimis Bakery wird ihrem legendären Ruf gerecht, auch wenn ich zwei Anläufe brauche, um diesen Zuckerschock aufzuessen.

 




Doch richtig lecker ist das vietnamesische Essen am letzten Abend. Kein Wunder, eine der neuen Freundinnen von Kind 2 ist Vietnamesin und hat genau dieses Restaurant empfohlen.

 


 

Niemals ohne Museumsbesuch die Stadt verlassen

Beim Spatzwandeln durch die Stadt kommen wir am Edinburgh Museum vorbei, mit einer großen Werbung für die aktuelle Ausstellung „Friends of Archaeology Edinburgh“. Da muss ich rein. Da Kind 2 das Museum auch noch nicht kennt, gucken wir uns scheußliches Silber und genauso scheußliches Porzellan, viel Kriegsgeschichte, einiges spannendes an städtebaulicher Geschichte von Edinburgh an. Richtig herzwärmend finde ich die kleine Ausstellung zu den Archäolog*innen. In Edinburgh wird die einzige Straßenbahnlinie verlängert, vom Zentrum runter zum Hafen in Leigh. Und die Amateur-Archäolog*innen haben den Bau begleitet, einiges an weiterführenden wissenschaftlichen Untersuchungen angestoßen. Sie nutzen die Ausstellung, um sich ihrer eigenen Geschichte zu vergewissern, zeigen stolz ihre Publikationen aus den 30 Jahren ihres Bestehens, und würdigen einige herausragende Persönlichkeiten aus ihren Reihen. Erzählen von Ausgrabungscamps, wo sie neuen Mitgliedern das Graben beibringen, zeigen (mich interessierende) Funde des Mesolithikums aus dem Stadtgebiet neben ganz viel Römern und Mittelalter.

 

Die Ausstellung zu den Bergsteigenden Frauen Schottlands in der National Library habe ich leider nicht gesehen. Als mir die Werbung dazu ins Auge fällt, sind wir schon 5 Minuten zu spät zu unserem Treffen mit den hiesigen Freundinnen von Kind 2 im Royal Museum. Am besten finde ich den Hashtag, den sie sich ausgesucht haben: #WeKnowOurPlace. Direkt unterm Himmel auf dem Berg 😊.

 


Richtig geflasht bin ich im Royal Museum, eigentlich National Museum of Scotland. Neben dem Gesamteindruck in der großen Halle, weil nämlich das Gebäude schon beeindruckend ist, sehe ich nur die World Cultures galleries. Dann sind meine zweimal 1,5 h, die ich an neuem Input in einem Museum aufnehmen kann, um. Ich schwelge in materieller Kultur der Ainu und Yupik, der Maori und Aborigines und und und. Didaktisch, grafisch und menschlich supergut aufbereitet. Mit Fundgeschichten, Kontakten zu indigenen Völkern heutzutage, die helfen, die Funde einzuordnen, mit Künstler*innen aus diesen Regionen, die Kolonialismus nicht verschweigen. Klasse.

 


Schneebrillen aus Holz und wasserdichter Anorak






Die Geschichte, dass die Aborigines ganz innovativ die Porzellanisolatoren der Telegraphenleitungen zu Speerspitzen umgearbeitet haben, kannte ich schon. Die Artefakte jetzt mit eigenen Augen zu sehen, macht die Geschichte nochmals eindrücklicher.


Der Trend geht zum Zweit-Buch

Kind 2 zeigt mir nur zwei der schönsten Bookshops der Stadt, Waterstones und Booksellers. Im ersten bleibe ich noch standhaft, trotz vier Stockwerken Büchern, da fröne ich nur im zugehörigen Café meiner zweiten Sucht, einem guten Kaffee. Doch beim zweiten Buchladen erwischt es mich dann doch.


Lauter signierte (Erst)Ausgaben 

Alles Bücher übers Reisen 



Regaleweise Natural History, Travel Literature, ganz viele Bücher, von denen ich schon die Rezensionen gelesen habe. Jede Menge signierte Erstausgaben. Doch ich bleibe eisern, kaufe nur ein einziges Buch, auch wenn ich ursprünglich an der Kasse noch mehr Bücher in der Hand hatte. Dafür erwischt es mich nochmal im Shop des Royal Botanic Garden. Ein zweites Buch über Pflanzen will noch mit nach Deutschland. Da ich mit Handgepäck reise, schließlich sind fünf, sechs Tage nicht soo lange, bringen mich die Bücherkäufe ans Limit meines Koffers.

 

Mein letzter Kurztripp ist so lange dass her, dass der Handgepäck-Koffer Staub angesetzt hat.

 

 Und sonst so?

Der Linksverkehr macht mich kirre. Alle gehen bei Rot über die Ampel, nur ich kann das irgendwie nicht einschätzen und gucke links, rechts, links, und dann nochmal rechts und links. 

Die Weihnachtsdeko flasht mich. Manchmal schauderhaft, manchmal wunderschön. 




Das Schild in der Tram beeindruckt mich in seiner freundlichen Bestimmtheit. So kann eine klare Vorgabe auch formuliert sein. 


Und das beste? Im Secondhand-Shop, äh, bei Armstrong Vintage, finde ich einen knalllilafarbenen Mantel in meiner Größe. Gesehen, gekauft, angezogen. 


Fast jeden Tag 15.000 Schritte, jeden Tag Natur, und jeden Tag Kultur. Zwei noch ungelesene Pflanzenbücher und jeden Tag unbekanntes Essen. Ich kehre mit einer Fülle neuer Eindrücke nach Deutschland zurück. Kind 2 hat mir einen Querschnitt ihrer drei Monate in Edinburgh gezeigt. 

 













Dienstag, 7. Dezember 2021

Homemade Chinese Food

Ich wohne 3,5 h vom Flughafen weg, egal ob Berlin oder Hamburg. Insofern ist es praktisch, dass mein Bruder mit Familie in Berlin wohnt. 


Morgen geht der Flieger nach Edinburgh um 9.30 Uhr. Wir reden hier vom BER. 2,5 h vorher da. Da bleibt nur die Wahl zwischen halb vier morgens zuhause starten oder Boxenstopp mit Familienanschluss.


Oberleichte Entscheidung. Meine chinesische Schwägerin kocht. Nur der Vierjährige und ich bekommen eine Gabel, die anderen essen selbstverständlich mit Stäbchen.