Sonntag, 28. Mai 2017

Eisewarm

Bei mir ins Haus ist letztes Jahr eine neue Nachbarin eingezogen, Simone. Ungefähr mein Alter, auch alleinstehend, noch ein bisschen wilder als ich. Bzw. etwas anders wild als ich. Auf jeden Fall haben wir uns letzte Woche für heute verabredet. Sie wollte an den Strand, ich wollte zum Umweltfotofestival Horizonte. Das bedeutete für uns beide die gleiche Destination: Zingst. 8.30 Uhr Treffen zum gemeinsamen Frühstück, 9.30 Uhr auf die Piste, 10.30 Uhr Ankunft in Zingst, wie so oft am Übergang 6, dem Surfer Strand. Wenn ich neue Leute kennenlerne, ist es oft ein vorsichtiges Aushandeln und Balancieren: wer hat welche Interessen, wer mag was. Manchmal passt es instinktiv, manchmal heißt es etwas Neues Ausprobieren, und gerade für mich heißt es, meine Interessen auch zu artikulieren, für mich ein zu stehen. Für mich ist Sonnenbaden am Strand nicht wirklich der Hit. Meine helle Haut bedeutet 15 Minuten ohne Sonnenschutz und 30 Minuten mit Sonnenschutz kann ich mich in der Sonne aufhalten, danach heißt es neu einschmieren oder Sonnenbrand riskieren. Weil ich aber bin wie ich bin, bin ich also lammfromm mit an den Strand gegangen. Simone hat sich sofort in die Fluten geworfen, ich bin immerhin bis zu den Hüften ins Wasser gegangen. Baden im Mai in der Ostsee heißt Wassertemperatur 12-14ºC. Insofern musste ich mich erst einmal aufwärmen in den Lufttemperaturen von 24ºC, um dann ins Wasser zu gehen. Das sich dann nicht mehr eisekalt, sondern eben eisewarm an fühlte ☺.

Freitag, 26. Mai 2017

Tour de France Feeling

In Vorpommern wird der Herrentag üblicherweise dadurch gefeiert, dass die Männer mit Bier und Bollerwagen losziehen. Nun mag ich kein Bier und bin auch kein Mann. Zum Glück geht das auch einem Haufen anderer Menschen so. Diese ziehen in der Regel (mit und ohne Bier) mit geschmückten Fahrrädern los, Freund*innen-Gruppen und Familien. Genau so haben wir das heute auch gemacht. Meine Freundin aus Studienzeiten ist mit ihrer Familie (und den zugehörigen Fahrrädern) bei mir zu Besuch. Heute morgen haben wir erst einmal recherchiert, aus welcher Richtung der Wind kommt. Nachdem Nordwest feststand, sind wir mit dem Zug nach Barth gefahren - damit wir Rückenwind haben☺.

Und sind dann gemütlich die 45 km auf dem Ostseeküsten-Radwanderweg von Barth nach Stralsund gefahren. Meistens entlang des Bodden, mit Blick auf den Zingst, auf Hiddensee und auf Rügen. Haben die Segelboote auf dem Sund bewundert, haben das Dorffest im neuen Hafen von Dabitz sorgfältig gemieden, genauso wie die größere Feier am Prohner See. Wir waren im Kranich-Informationszentrum in Groß Mohrdorf sowie am Wind-Schöpfwerk in Groß Flemendorf, was ein technisches Denkmal ist. Die diversen Pausen auf dem Deich mit Prinzenrolle und TicTac (12jährige haben doch andere Vorlieben als Erwachsene), in Schutzhütten und Pavillons mit Obst, Kaffee und Stulle -  fast alles was eine gelungene Fahrrad-Tour braucht, war dabei. Bisschen wenig Kultur, um meine Freundin zu zitieren. Die Kirche in Groß Mohrdorf war nämlich schon geschlossen.

Was mir am besten gefallen hat? An einer Stelle haben die Leute mit dem Bollerwagen für uns Publikum der Tour de France gespielt. Mit allem Drum und dran. Flaschen schwenken, Anfeuerungsrufe, schön ein Spalier bilden. Das ist echt ein cooles Gefühl. Bei den Gruppen danach habe ich dann immer gerufen "Tour de France, Action". Und prompt haben die Jungs geschrieen und gewunken. Da schaffe ich die Pseudo-Mont Ventouxs, die wir hier in Vorpommern haben, gleich dreimal besser.

Fazit: Rückenwind und Sonnenschein - und keinen Muskelkater!

Mittwoch, 24. Mai 2017

Bestanden




Was bin ich glücklich. Seit gestern bin ich stolze Besitzerin des Sportbootführerschein See.Die ganze Lernerei und Überei hat sich gelohnt. 30 Fragen, Null Fehler. Navigation, Knotenkunde, praktische Fahrprüfung, alles bestanden.
Übungs- und Prüfungsrevier
70 Leute theoretisch prüfen geht ohne weiteres. Zwei Gruppen, weil der Raum sonst zu klein ist, jeder kriegt einen anderen der 15 verschiedenen Fragebögen, da kann keiner und keine spicken, egal wie dicht Nachbarin oder Nachbar sitzen. Doch 70 Leute durch die praktische Prüfung lotsen, das ist schon was anderes. Rückwärts ablegen, nach Kurs fahren, Kurs ändern, Kompasspeilung ansagen, Mann über Bord Manöver fahren und wieder anlegen. Das dauert schnell fünf Minuten und eher 7 Minuten. Low speed, low damage. Für meine Nerven ist es auch besser, alles gaaanz langsam zu machen. Langer Rede kurzer Sinn: Ich war halb zwei am Anleger, und um 19 Uhr hatte ich meinen Schein in der Tasche. Und ansonsten habe ich auf dem Deck der Freundschaft gesessen und mich gesonnt. Mit ordentlich Sonnenschutzmittel. Weil das ist die häufigste Verletzung beim Wassersport: Sonnenbrand!

Hier noch ein paar Bilder von meinen verschiedenen Lerneinheiten:

Boot fahren bei jedem Wetter, wirklich jedem
Im Oktober war das Wetter schon ziemlich rauh, mit kaltem Regen und frischem Wind. Jetzt die Übungseinheiten im Mai fanden bei Sonnenschein, 28° C und leichtem Wind statt. Das war schon ein ganz anderer Schnack, nicht unbedingt angenehmer. Menschen wie Ich gedeihen nun mal am Besten bei Temperaturen deutlich unter 25 ° C.


Navigation ist wirklich mein Liebstes. Geodreiecke, Zirkel, und vor allem Karten, Karten, Karten. Reisen mit dem Finger auf der Landkarte ist sowieso eins meiner Hobbys. Da kratzt es mich auch nicht, dass ich bei der Prüfungsaufgabe für den Leuchtturm Westerhever ganz schön ins Blaue geraten habe, wie nun sein Feuer aussieht. Das hatte ich nämlich nicht gelernt.



Essen beim Lernen. Nachher wurde mir die Zeit ganz schön knapp.
Da wurde dann auch mitten im Lernmaterial gefrühstückt.

Knotenkunde ist/war mein schwächstes Fach. Die Hände müssen den Befehl des Gehirns "Knoten xy, aber husch, husch" umsetzen. Und Achterknoten, Kreuzknoten, Palstek, Stopperstek, Webeleinstek und Rundtörn mit zwei halben Schlägen auch noch erkennen, wenn nur angesagt wird, "Ausrauschen der Leine verhindern", "feststehende Schlaufe herstellen" und sowas.



Sportbootführerschein See ist sowas wie Abitur in der Tasche. Die große weite Welt der Meere steht mir jetzt offen. Grönland, Alaska, Tschukotka, ich komme.

Und nochmal ein großer Dank an alle, die mich unterstützt haben: Ute, mit der ich vor zwei Jahren den Kurs besucht habe und die ersten Übungen gemacht habe, Sebastian, Matthias und Florian, die damals mit mir die ersten Fahrstunden absoviert haben; Franka, die mit mir Knoten und Boot fahren geübt hat, bis ich es aus dem Effeff konnte; Joachim, der mich dazu gebracht hat, Navigation wirklich zu üben, Wilhelm, Ronald und Reinhard, die nicht immer an mich geglaubt haben, aber ermöglicht haben, dass wir das Boot kriegen; Ronald für die Installation der App zum Üben; Sebastian, Max, Tobias und einige andere Studenten, die mit mir Übungsrunden im Boot gefahren sind, sie alle, dazu Sabine und die Studentinnen, die mir Mut gemacht haben, die mich von meiner Nervosiät abgelenkt haben; Simon, der mir diskret bei den Knoten geholfen hat; ach und überhaupt Dank an euch alle, die ich zu texten konnte, dass ich SBF See mache und was ich gerade mache, gerade zum Schluß, als ich außer der Prüfung kein anderes Gesprächsthema mehr hatte, Thanks a lot for your help.

Sonntag, 21. Mai 2017

Kartenkunde, Boot fahren, Knoten und einen Haufen Theorie

Noch zwei Tage, dann wird es ernst. Prüfung Sportbootführerschein See, die zweite. Diesmal bin ich deutlich besser vorbereitet. Franka hat mit mir Boot fahren geübt, solange, bis ich wirklich sicher bin, was ich da mache. Auch wenn ich immer noch nervös werde, wenn es eng wird. In der Prüfung werde ich meinen ganzen Mut zusammen nehmen müssen, auf Pokerface machen und hochkonzentriert bis zum Aussteigen bleiben. Knoten ist Übungssache, da muss ich mich auch ziemlich konzentrieren, damit meine Finger sich erinnern, was ich da mache.
Die Theorie übe ich brav mit meiner App, dazu die Powerprüfungsvorbereitung im Netz. Langsam werden die Fragebogen fehlerfrei, auch wenn Lichterführung und Schallsignale sich immer noch verweigern. Seufz.
Navigation ist definitv mein liebstes. Ich habe wie letztes Mal nur fünf Karten durchgeübt, weil ich einfach instinktiv weiß, was ich da mache. War das Geographie-Studium mal wieder zu was nütze ☺.

Freitag, 19. Mai 2017

Game Over



Neue Vorsitzende, Ministerin, alte Vorsitzende
Game Over. Oder: Die Königin ist tot, es lebe die Königin.

Delegierten-Konferenz des Landesfrauenrates. Ich trete nicht mehr zur Wahl an als Vorsitzende. Meine Stellvertreterin hat während meiner Krankheit meine Arbeit gut gemacht, hat mich würdig vertreten und auch gute Ergebnisse erzielt. Deshalb kann ich ruhigen Gewissens meinen Posten abgeben als Vorsitzende. Die Königinnen-Rolle verlassen. Mein Spiel beenden. Der alte Vorstand, wir, bekommen die vollständige Entlastung durch die Delegierten-Konferenz. Game Over. Die Königin, ich als Königin des Landesfrauenrates bin tot. Die Neuwahl erfolgt, und meine Stellvertreterin wird erwartungsgemäß gewählt. Sie hat jetzt die volle Verantwortung, die ich vorher getragen habe. Es lebe die (neue) Königin. Und ich habe Zeit und Muße, andere Dinge in meinem Leben zu gestalten, neue, andere Herausforderungen zu meistern.

Donnerstag, 18. Mai 2017

Muttertagsgeschenk

Meine Töchter kennen mich ganz genau. Im August mache ich eine Vision Quest. Dafür wird eine Ausnahmesituation geschaffen. Zur Vorbereitung im Zelt schlafen, während der vier Tage in der Wildnis gänzlich ohne Zelt, nur mit Plane. Nur vegetarisches Essen, bzw. während der Wildnis-Zeit fasten. Alles kein Problem. ABER - eine weitere Realität ist während der 10 Tage kein Kaffee. ICH. KEIN. KAFFEE. Da sterbe ich - natürlich nicht. Doch es ist meine einzige echte Droge. Vor allem weiß ich genau, wenn ich von hier auf jetzt aufhöre, Kaffee zu trinken, bezahle ich es erst einmal mit üblen Entzugs-Kopfschmerzen. Was also schenken meine Töchter mir zum Muttertag: zwei Pakete entcoffeinierten Kaffee. Damit ich die Kopfschmerzen schon vorher erledigt habe.

Dienstag, 16. Mai 2017

Welttanztag

Jedes Jahr am 29. April ist Welttanztag. Und meistens vergesse ich es, weil es ein Wochentag ist, weil ich kein Kind bei Performdance habe, dass seinem Auftritt entgegenfiebert. Doch dieses Jahr ist es am Samstag, ich habe es dank meiner WhatsApp-Gruppe "WhatsLos in Stralsund" rechtzeitig mitbekommen und bin in die Kulturkirche St. Jakobi gepilgert. Knapp 10 Gruppen aus verschiedenen Bereichen des Tanzes stellen sich vor. Die Kleinsten sind noch Kindergarten und zeigen ganz goldig einen Pusteblumen-Tanz, die ältesten sind mindestens 65 und führen drei Kreistänze auf. Besonders beeindruckend sind aber die 13-17jährigen. Sie tanzen auf dem Altar, zeigen tänzerische Akrobatik. Und haben sich einen Text ausgesucht, der mir die Gänsehaut über den Rücken jagt. DER Monolog von Klytämnestra mit ihrem Frust, ihrem Hass, ihrer Wut. Ich tippe mal auf das Original aus der Orestie, von wem auch immer gesprochen. Dazu die Bewegungen, das hin- und herschnellen der Gruppe, das Auflösen in Einzelfiguren, in Zweier-Gruppen. Erste Sahne. Tänzerisch und choreographisch.

Die Kapitänin trinkt blau

12. Mai 2017. Um 13.11 Uhr startet der Zug nach Berlin. Im Gepäck: Eine Eintrittskarte für mein Konzert des Jahres: die russische Rockband Piknik in Huxleys Neue Welt in Berlin.


 Doch zuerst geht es zu meinem Patenkind, bei dem ich auch übernachte. Sie stylt bzw. schminkt mich, damit ich gegen die ganzen Russinnen bestehen kann.


Alle Ansagen und fast alle Aushänge sind auf kyrillisch, vermutlich bin ich die Einzige unter den 400 Besucher*innen, die kein Rusisch kann. Ich bin extra früh dran, damit ich mir einen Platz ganz vorne an der Sicherheitsabsperrung sichern kann. Doch zuerst genieße ich den Spezial-Haus-Cocktail des Huxleys, Die Kapitänin ist wieder blau, mit Wodka, Limette, Minze und Blue Curacao. Das könnte mein Leib- und Magen-Cocktail werden.





Und dann geht das Konzert los. Ich bin einfach nur glücklich, glücklich, glücklich. Die Lieder klingen so perfekt, dass ich kurzfristig überlege, ob da Playback mit im Spiel ist. Doch dann stimmt der Leadgitarrist und Sänger Edmund Schkljarski ein Lied an, und der Bassgitarrist Marat Kortschemny sprintet auf ihn zu. Es ist das übernächste Lied, dass er da anspielt.


Nach knapp zwei Stunden geht das Konzert zuende, meine Ohren klingeln, meine Füße schmerzen. Das nächste Mal, glaube ich, fahre ich nach Russland zum Konzert. Damit ich die aufwendige Bühnenshow, die bei Youtube zu sehen ist, auch mal live sehe. In Berlin war nur die abgespeckte Version mit Beethoven, dem Schamanen und ja, hm, dem Silbermann (? Mein Russisch ist eben sehr rudimentär 😏) zu sehen. 

Freitag, 12. Mai 2017

PIKNIK

Heute ist der große Tag. Konzert von Piknik in Berlin. Nachher geht es los, in meinem Bauch kribbelt es vor Vorfreude. Ein Lichtblick nach den schwierigen Tagen der letzten Wochen. Ein großer Wehmutstropfen bleibt. Ich fahre allein. Alle meine Menschen um mich herum sind so mit sich beschäftigt, haben soviel anderes zu tun. Haben andere Interessen, einen anderen Musik-Geschmack. Da bin ich endlich in der Lage, nach der Depression und dem Burn out wieder Menschen nah an mich heran zu lassen, und gehe dann doch allein zu einem Konzert, dass mir unendlich viel bedeutet.