Montag, 12. August 2019

Mit Fahrrad für die Zukunft


Gastbeitrag von JKK

Mein Kind demonstriert für eine bessere Zukunft! Als brave Mutti, die selbst als Jugendliche auf die Strasse ging (damals für eine Welt ohne Atomraketen), überdenke ich also meinen inzwischen im Alltag abgeschliffenen Lebensstil - denn jetzt geht es um noch ein bisschen mehr. Weniger Fleisch und ein paar andere Umstellungen beim Essen sind auch besser für die Linie (und die Gelenke), privat geflogen bin ich seit 2001 sowieso nicht mehr, eine neue Heizungsanlage ist eine Frage des Kontostandes - was kann ich also noch tun? Auf den Prüfstand wird das tägliche Pendeln zwischen meinem Wohnort und dem Arbeitsplatz in der Uni gestellt. 30 min mit dem Auto von Haustür zu Haustür - an Tagen ohne Stau (also nur wenn Schul-, Parlaments- und Semesterferien zusammenfallen). Allerdings ist es nicht nur eine Zeit-, sondern inzwischen auch eine Fitnessfrage - und eine CO2-Frage.
Da passt es prima, dass in unserer Großstadt gerade ein System an Leihfahrrädern in der Pilotphase installiert wird. Frohgemut kette ich also meinen inneren, ach so bequemen Schweinehund an, lasse eines Morgens mein Auto stehen und hole mein Fahrrad aus den Schuppen - zum Bahnhof sind es nur 5 Minuten, mein Schloss ist dick genug zum Abstellen im Bahnhofsbereich. Das Ticket kostet mit BahnCard-Rabatt 3,70 Euro. 16 min dauert die Fahrt. Die Fahrradstation neben dem Großstadtbahnhof sieht man aufgrund der weißgrün leuchtenden Fahrräder schon von weitem. Mit der am Vortag installierten App kann eines davon leicht entriegelt werden; die Satteleinstellung ist ebenfalls einfach. Los geht’s! Seit meinen Studientagen sind die Radwege etwas breiter geworden - die Eiszeit-Moränen bedingten Steigungen leider nicht flacher, aber ich will ja auch etwas für meine Fitness tun. Auf halber Strecke kann ich auf die frisch gebaute Veloroute einbiegen und fliege geradezu durch bis dato unbekannte ehemalige Gewerbe-Hinterhöfe meinem Schreibtisch entgegen. 19 min! und ich habe die Abstellstation auf dem Campus erreicht. Nur, jetzt beginnt das Malheur! Mein Smartphone hat keine WLAN-Verbindung, ich kann das Fahrrad zwar zuschließen, auf meiner App wird aber munter die Ausleihzeit weitergezählt. Die Hilfefunktion der App beschert mir nach mehreren Vertippern noch zwei Schloss-PINs in Innsbruck (sic!), aber die freundliche Dame, die ich nach einer gefühlten, Panik steigernde Ewigkeit (=5 min) erreiche, repariert die Situation von ihrem Computer aus. Ich verziehe mich also in mein Büro (4 min), wo ich entdecke, dass die Ausleihzeit der beiden Fahrräder in Österreich dennoch weiterläuft. Bei einem weiteren Telefonat einigen wir uns darauf, dass offiziell alles in Ordnung ist, nur mein Handy wegen mangelnder Verbindung in die weite Welt das noch nicht mitbekommen hat. Fazit: 45 min unterwegs, nur final etwas viel Aufregung und zusätzliche 10 min Verzögerung zur Situationsklärung. Entspannt kann ich meine Arbeit nicht gerade beginnen.
Nach meiner Halbtagsarbeit bin ich entsprechend gespannt: also zurück zur Station neben der Mensa. Doch so einfach wie am Morgen geht es jetzt nicht. Bei drei Fahrrädern sagt mir die App, ohne Internet gibt es auch kein Fahrrad. So schnell verzage ich aber nicht. Beim Sportzentrum warten schließlich die nächsten Fahrräder. Dort funktioniert die App allerdings auch nicht. Die dritte Station wäre dann 12 min Fussweg entfernt. Nun gebe ich nun doch auf und wende mich der Busstation zu. Schade, so hatte ich mir mein CO2-armes Arbeitsleben nicht vorgestellt. Am Bahnhof erwartet mich eine weitere, schon nicht mehr überraschende Verzögerung. Meinen Zug, den ich fast schon aufgegeben hatte, erreiche ich wegen um 10 min verschobener Abfahrt, die Bahn-App erwähnt eine Signalstörung. Kaum sitze ich drinnen, macht die nächste Nachricht die Runde: Zugausfall, wohl wegen Personalmangel - alle dürfen umsteigen in den nachfolgenden, bereits wartenden Zug. Von Bahn-Bashing halte ich nicht viel; am Abend kann ich mit Zusammenführung aller Tagesnachrichten rekonstruieren, dass die Verspätung einem tödlichen Unfall an einem Bahnübergang geschuldet ist. Angesichts solcher Ereignisse ertrage ich jede „Störung im Betriebsablauf” geduldig. Dennoch habe ich für den Rückweg bei meinem persönlichen Pilotprojekt 1,5 h gebraucht.
Fazit: So habe ich mir meine alternative Mobilität nicht vorgestellt. Mit Bus und Bahn kann ich meinen Arbeitsplatz auch erreichen, das wusste ich schon vorher. Dank der Bahn-App finde ich zudem schnell den passenden Bus (die App funktioniert nämlich auch ohne Internet-Kontakt). Die Kombination mit Zweitfahrrad zum Leihen scheint aber nur mit ausreichender Digitalisierung zu klappen. Und die ist im betreffenden Bundesland leider noch nicht so weit vorangeschritten. Was nützt mir ein geliehenes Rad, wenn ich nicht mehr damit zurückkomme.
Mein Kind demonstriert für eine bessere Zukunft! Es wäre schön, wenn die baldmöglichst beginnen würde.



JKK, 9.8.2019

3 Kommentare:

  1. Die Bahn-App (DB-Navigator) funktioniert auch nicht ohne Internet. Die Nextbikes (Sprottenflotte) kann man auch per Sprachcomputer über die Hotline ausleihen. Dann braucht es weder W-LAN noch mobile Daten. Vielleicht versuchen Sie es einfach nochmal.

    AntwortenLöschen
  2. Ihre schlechte Erfahrung scheint aus der Ferne komplett eigenverschuldet. Wie soll das Rad den wissen, dass Sie es ausleihen wollen, wenn Sie keine Internetverbindung haben? WLAN muss das nicht sein, da reichen mobile Daten. Dieses negative Review ist insofern so schade, als dass das völlig normal funktionierende Nextbike-System schlechtgemacht wird, obwohl der Fehler bei dem/der NutzerIn liegt. Probieren Sie's doch nochmal umd passen sie den Bericht entsprechend an, falls es besser klappen sollte (was ziemlich sicher der Fall ist!!)

    AntwortenLöschen
  3. 😊Die Kundin ist die Königin. Es sollte gleich beim ersten Mal klappen...

    AntwortenLöschen