Sonntag, 21. Januar 2018

Den Tod tanzen

Fast jeden Monat gibt es im Kino eine Aufführung des Bolschoi-Balletts. Heute war es Romeo und Julia. Ich weiß sehr wohl, dass es eine Liebesgeschichte sein soll. Doch mich hat das Stück nie besonders angesprochen. Heute ist mir endlich klar geworden warum. Weil sie nicht das Leben, sondern den Tod getanzt haben. Klar, es sind wunderschöne Pas de deux in dem Stück enthalten, wo die Liebe zwischen Romeo und Julia zum Ausdruck kommt. Doch wirklich bei sich sind alle Akteure, wenn sie den Tod tanzen. Schon in der Szene mit Tybalt und Mercuctio wird das sichtbar. Der eine ist seinem Zorn und seinem Stolz verhaftet, der andere versteckt sich hinter einer fröhlichen Maske. Erst der Tod entlässt sie daraus. Und die Inszenierung ist derart, dass ich mich frage, ob sie den Tod nicht sogar gesucht haben. Julia und Romeo sind dermassen auf einander fixiert, dass auch sie sich nicht für das Leben entscheiden, sondern für den Tod. Ich aber gebe dem Leben den höheren Wert. Meine Liebe wächst, wenn ich dem anderen Freiraum gebe, die Möglichkeit zu leben, sich zu entwicklen, zu wachsen. Genau das tun diese vier Menschen bei "Romeo und Julia" nicht. Sie tanzen den Tod.

1 Kommentar:

  1. Der körperliche Tod ist lediglich die Fortsetzung des Lebens in einer Weise, die wir uns jetzt nicht vorstellen können.
    Wirklich tot sind wir erst, wenn wir uns keine Fortsetzung mehr gestatten. Das aber müssen wir nicht. Wir dürfen uns immer wieder für das Leben entscheiden!
    Mich haben diese Geschichten mit dem scheinbar endgültig tragischen Ende auch immer befremdet. Das ist mir zum ersten Mal so gegangen, als wir in der Sexta im Lateinunterricht die Geschichte von Orpheus und Eurydike übersetzt haben. Mich hat das noch lange beschäftigt, und ich hatte das Bedürfnis, mit anderen darüber zu reden. Das hat niemand verstanden. Dieses Null-Chancen-Ende fanden viele ganz lustig.

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