Sonntag, 22. September 2019

Glück

Ich weiß, ich muss dankbar sein. Mir geht's unterm Strich gut, mir geht es in vielem sogar besser als den meisten Menschen. Ich kann dankbar sein, dass ich in diesem demokratischen Land lebe, das seit über 70 Jahren Frieden hat. Ich habe eine gut bezahlte Stelle, die auch noch interessante, anspruchsvolle, mein Gehirn bzw. meinen Intellekt fordernde Aufgaben beinhaltet. Ich habe kluge und schöne Töchter groß gezogen (nicht alleine, dass kann kein Mensch, sondern mit ihrem Vater, mit Freundinnen und Freunden, mit echter und mit Wahlverwandschaften), ich bin eingebunden in ein Netzwerk von Menschen, die mich mögen, die mich begleiten. Für all das kann ich dankbar sein, bin ich vermutlich auch. Doch im Alltag fehlt mit das Gefühl dazu. Jaja, ich weiß, dankbar sein ist wichtig, so gut wie ich es im Leben habe, ist nicht selbstverständlich. Aber trotzdem - es fehlt das tiefe Gefühl dazu.

Und dann habe ich ein Wochenende wie dieses: spontan kommt eine Freundin von der Alex zu Besuch. Gemeinsam mit meiner Nachbarin gehen wir zweimal Essen, einmal indisch, einmal Fisch.
Beide Male intensive, tiefe Gespräche zu Gott und der Welt, zu Männern und Frauen im Allgemeinen und im Besonderen, also uns. Beide Male bin ich erfüllt von einem tiefen Zufriedenheitsgefühl, Dankbarkeit. Wir gehen auf ein Konzert auf der Bühne Blechwerk, ein fetziger junger Künstler aus Südafrika, Sean Koch. Kluge Texte, tanzbare Musik.
Als After Show Party legt Uli vom Plattenladen auf.
Der weiß sowieso was meine Lieblingslieder sind und spielt sie ungefragt. Tanzen macht mich glücklich. Bewegung nach Musik setzt meine Endorphine frei. Plus nette Menschen um mich herum. Die sich freuen, mich zu sehen; die mich drücken und umarmen, ihre Zuneigung auch körperlich ausdrücken.
Samstags muss ich arbeiten, ein Studiengang feiert vormittags 25jähriges Bestehen, nachmittags ist die Absolventenfeier mit Reden, Sekt und Zeugnisübergabe. Manche der Studentinnen erinnere ich als schüchterne, graue, unscheinbare Erstsemester und sehe sie jetzt als leuchtende, selbstbewusste Master-Absolventin mit knallrotem Lippenstift auf der Bühne im Audimax. Auch das beglückt mich. Genauso wie es mich mit Stolz erfüllt und mich dankbar sein lässt, dass meine Führungsriege sich aufrichtig freut, dass ich da bin, mich namentlich in ihren Reden erwähnt.
Und dann Sonntag. Mein Besuch hilft mir, die Ferienwohnung für nächstes Wochenende vorzubereiten. Ich bedanke mich dafür. Da erinnern sie mich daran, wie selbstverständlich ich Unterstützung gebe, und von daher es ja wohl genauso selbstverständlich ist, mir Unterstützung zu geben. Ich habe in meinem Leben zu viel unter mangelnder Unterstützung gelitten, als das ich das als selbstverständlich ansehe. Und so freue ich mich doppelt und bin doppelt dankbar, dass ich Hilfe bekomme, wenn ich darum bitte. Ein ganz anderes Glück erwartet mich am Strand. Trotz Ende September ist es 22 ºC warm. Wir springen nackt in die kühle Ostsee und feiern die Sonne, das Leben.


Und zum krönenden Abschluss kommt sogar der Eiswagen noch vorbei.
Soviel Glück in so kurzer Zeit so intensiv gespürt. DANKE.

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