Sonntag, 20. Juni 2021

Museum online

Auf einer meiner Informationsseiten ploppt auf, dass der Louvre seine Sammlungen online stellt. Sofort gucke ich mir das an und bin enttäuscht. Langweilige Magazin-Karten. Foto des Objekts, Materialien, aus denen es hergestellt wurde, Datierung. Bei Gemälden noch der Maler (seltener die Malerin). In der allgemeinen Wahrnehmung ist der Sammlungsschwerpunkt des Louvre Malerei und sonstige Kunst wie Skulpturen. Doch in den Magazinen liegt zahlenmässig deutlich mehr ägyptische und vorderasiatische Archäologie. Mumien, Sarkophage, Statuen, all sowas. Aber keine europäische Archäologie. Die Archäologie Frankreichs liegt woanders im Magazin.


Doch zurück zum Louvre. Eine kurze Information zum Erwerb, und manchmal ist ein kurzer Abriss zur Sammlungsgeschichte des Objekts angegeben. Alles auf französisch. Jedenfalls bei den eher unscheinbaren ägyptischen, mesopotamischen, babylonischen Schmuckperlen und Bronzeperlendurchbohrten Anhängern aus Elfenbein, also das, was mich interessiert. Zum Glück ist die Schublade in meinem Gehirn, in der mein Schulfranzösisch liegt, nicht komplett verkantet, sondern nur ein bisschen eingerostet. Richtig cool finde ich die ganz alten Sachen aus dem Neoltihikum und Chalkolithikum. Vermutlich haben sie noch viel mehr spannende Sachen im Magazin als ich jetzt bei meinem durchscrollen finde. 480.000 Objekte ist ein Haufen Zeugs.


Nicht nur der Louvre, auch andere Museen weltweit haben ihre Bestände online gestellt, wie z.B. das Britische Museum. Die haben auch ethnologische Objekte in ihren Sammlungen. Und so schwelge ich in schamanischer Ausrüstung, wie Trommeln der Sami und Eskimo, Kleidung mit Klapperblechen oder Applikationen, Rasseln und überhaupt Objekten aus der Polarregion, aber auch der Haida, Tlingit, Timsian und anderer Gruppen der NordwestKüste Nordamerikas. Die Arktis-Ausstellung habe ich leider verpasst, schade. Stundenlang kann ich durch die Seite surfen, die Welt ist so groß und spannend.


Im Zuge der  Recherchen bekomme ich von einer Freundin den Tipp, ob ich mir nicht mal das Museum Barberini in Potsdam angucken möchte. Bzw. ob wir uns nicht die Online-Führung zu "Rembrandt und der Orient" ansehen wollen. Will ich. In der Onlinepräsenz des Museums sind ganz viele (fast alle?) impressionistische Gemälde der Sammlung zu sehen. Vielleicht logisch, wenn der Mäzen ein Softwaremogul ist. Von der Sonderausstellung Rembrandt und der Orient sind nur 360° Rundgänge im Netz zu sehen. Insofern ist es klar, wir machen die virtuelle Führung. 


Und so treffen wir uns Freitag 17 Uhr zu viert zum Museumsbesuch. Online. Eine sitzt in Kiel, eine in Mannheim, in Stralsund sind wir zu zweit. Wir alle vier sitzen vor dem Bildschirm mit einer Zoomkonferenz. Die Führerin teilt den Bildschirm und dann geht es los. Sie erzählt Fakten, Geschichten, Hintergründe. Und zoomt ganz tief in die Bilder. Sie zeigt uns Details, die im realen Museum jedesmal die Alarmanlage ausgelöst hätte. Um so nah an das Bild heranzutreten, um so genau die Details zu sehen, würde vermutlich meine Nasenspitze einen Fettfleck auf dem Bild hinterlassen. 


Nur einige Bilder stellt sie uns vor. Rembrandts Bilder spielen mit Licht und Schatten. Er ist einfach ein Meisterwerk-Maler. Und ich lerne neue Worte kennen. Chiaroscuro. Das Spiel von Licht und Schatten. 


700 Maler hat es in der Zeit gegeben. Soviel Maler konnten davon leben. Das war nur möglich, weil soviel Reichtum aus Indien, Südostasien, alles was man damals unter dem Begriff Orient verstand, gewonnen wurde. 


Wie überhaupt immer wieder klargestellt wird, dass es das Orientbild der damaligen Zeit ist, was da dargestellt ist. Keiner der Maler war je dort. Das Sachgut, die importierten Objekte, die fließen in die Bilder ein und erschaffen das Bild einer exotischen Fremde. Ich amüsiere mich über die farbenprächtigen Teppiche, die als Tischdecken eingesetzt sind. Aber auch die abgebildeten, damals neu erfundenen technischen Instrumente zur Welterkundung faszinieren mich. Hier ist der Anfang der Inszenierung von Wissenschaftlern durch Bücherregale im Hintergrund. Eine Inszenierung, die bis heute gilt, wenn ich die Hintergründe in den Videokonferenzen als Maßstab nehme. 


Aber auch Ausbeutung und Rassismus werden in der Führung thematisiert. Nicht in den Bildern selbst. Sondern in dem, was wir heute wissen, wie wir heute damit umgehen. 


Eine tolle Führung, mit vielen Anregungen zum Weiterdenken. Eine Führung, die mich animiert, nach Potsdam zu fahren und mir die Ausstellung live vor Ort anzugucken. 







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