Samstag, 5. März 2022

Santo Domingo

Oft beneide ich das Jungvolk in meinem Umfeld. Praktikum auf den Galapagos-Inseln, Auslandssemester in Edinburgh oder auf den Kanaren, Hüttenferien in Österreich mit 25 Leuten, von denen man nur einen Bruchteil vorher kennt. Dieses Reisen, und vor allem dieses unkompliziert neue Leute kennenlernen, neue Freunde finden, das beneide ich. Ich ordne das Jung sein zu. So ein Quatsch. Ich habe Freund*innen, die sind 80, die haben in den 15 Jahren, die ich sie kenne, immer wieder auf ihren Reisen neue Leute kennengelernt. Ich habe eine Freundin, die hat mit 56 ein halbes Jahr Woofen in Neuseeand gemacht. Ich beschränke mich selbst mit so einem Denken. Was hindert mich daran, andere, fremde Leute kennenzulernen? Meine Angst? Wovor?



Mit diesem Wissen im Hinterkopf sage ich mutig zu, als Mabel mich fragt, ob ich mich nicht in Santo Domingo mit ihr treffen will, sie würde mir die Stadt zeigen, wir könnten zusammen essen gehen. Ookaay. Mabel kenne ich da fünf Minuten, ihren Mann Angel habe ich drei Tage vorher über das Schiff kennengelernt. Seine Firma hat uns den Proviant geliefert. Bei der Nachlieferung ist sie mitgekommen, weil er ihr von dem grünen Segelschiff erzählt hat, das einsam an der Arroyo Barril in Samana an der Pier liegt.


Santo Domingo ist die Hauptstadt der Dominkanischen Republik. Ungefähr so groß wie Berlin, Hafenstadt, die erste Stadt europäischer Art nach der Kolonisierung der Karibik und Südamerikas durch die Spanier, Weltkuturerbe. Eigentlich wolle ich nicht nach Santo Domingo in die Stadt. Meine Vorstellung waren Strandferien in Samana, Erholung vom Stress der langen Reise, mentale Vorbereitung für die Rückkehr nach Deutschland. Doch jetzt denke ich, ach was, ich mach das einfach. Irgendein Hostel zum Übernachten werde ich schon finden, und es bedeutet einen Welterbepunkt mehr 😀. 

 


Doppelt mutig sage ich meinen Shuttle-Service zum Flughafen in Santo Domingo ab, und buche ein Busticket nach Samana. In der Dominikanischen Republik, genau wie in Kolumbien, gehen die Fernstrecken per Bus. Im Busterminal in Samana versteht niemand englisch, geschweige denn deutsch. Mein nicht vorhandenes Spanisch ist zwar besser geworden, aber reicht nur für einfachste Dinge wie Zahlen und Lebensmittel. Und natürlich Kaffeetrinken. Aber irgendwie kriege ich vermittelt, dass ich nach Santo Domingo City will, und nicht zum Flughafen.

 

Der Bus ist gleichzeitig auch die Post.

Zum Glück ist in den Überlandbussen richtig Platz im Gepäckraum.

In meiner Aufregung bin ich eine halbe Stunde vor Abfahrt schon da.



Umsteigeterminal, falls ich doch zum Flughafen will.

Großstadt bleibt Großstadt, egal auf welchem Kontinent.




Mabel und Angel holen mich am Busterminal in Santo Domingo ab. Bis dahin haben wir uns über WhatsApp schon soweit angefreundet, dass sie mich fragt, ob ich nicht im Kinderzimmer übernachten will. Die beiden haben drei Kinder, zwei Jungs, ein Mädchen, die für mich zusammenrücken.





Und dann rollt der Abend. Die beiden zeigen mir die Altstadt mit ihrem Weltkulturerbe. Ich bin hin und weg von den Gebäuden und dem Ambiente. Ich könnte tatsächlich irgendwo in Spanien sein.

 








Der Abend endet mit Freund*innen von den beiden auf der Plaza Duarte. Die beiden haben eine große Flasche selbstgemachten Mamajuana mitgebracht, beim Späti auf dem Platz wird Wein, Bier, Wasser gekauft. Jede Menge Leute wollen mit mir quatschen, je später der Abend, desto besser verstehen wir uns, auch wenn ich nach dem 4. Mamajuana auf Wasser umsteige.

 





Die beiden wohnen mit ihrer Familie, ganz typisch für Lateinamerika, in einer umzäunten Wohnanlage, direkt am offenen Meer. Morgens gehe ich dort spazieren. Ich höre zwar die Geräusche der Großstadt, lautes Hupen, Motorengeräusche, doch die Stimmung ist eher wie Dorf, auf den Straßen fährt kein Auto.





Das Haus, in dem sie wohnen.

Besagtes Kinderzimmer.





Zum Mittagessen düsen wir in einen Supermarkt und holen hiesiges Fastfood: Hühnchen mit Reis. Das gibt es nämlich fertig zubereitet als ganzes gebratenes Hühnchen, mit Reis und den obligatorischen Bohnen verzehrfertig zu kaufen.



Es gibt hier im Supermarkt nur eine einzige Zahnpasta-Firma: Colgate.  








Es hat sich also voll gelohnt, meinen Mut zusammen zu nehmen und mich mit vollkommen fremden Leuten zu treffen, anzufreunden, dort zu übernachten. Ich habe wieder Einblick in andere Lebensräume gewonnen. Und was soll ich sagen: wir sind alle Menschen, wir haben den gleichen Streß in unseren Beziehungen, in unserem Arbeitsleben, stehen vor den gleichen Herausforderungen mit der Erziehung unserer Kinder. Wir freuen uns über die gleichen Dinge wie lustige Abende mit unseren Freund*innen, lecker Essen, und und und.

 

Danke Mabel und Angel.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen