Freitag, 22. Mai 2020

The Whale from Lorino

Eine der guten Sachen bei Corona ist, dass Online viel mehr Filme verfügbar sind, UND ich die Zeit habe, mir was anzugucken.
Gestern also dokfest München. Es hat schon was Schräges, statt nach München zu fahren, mich aufzubrezeln, in die U-Bahn zu schwingen, zu einem Festivalkino zu fahren, vielleicht sogar zu bibbern, ob ich reinkomme, all die Kinorituale wie Chips und Eis zu vollführen, koche ich mir einen Kaffee, schnappe mir mein Strickzeug, setze mich gemütlich in mein Sofabett und logge mich ein. Immerhin kann ich wählen, ob ich einen Euro spende für das Kino, in das ich gegangen wäre.
München vor vielen vielen Jahren hat mich Kino gucken gelehrt. Als 22jährige Frühstücksserviererin, die nicht so recht wusste, wie es weitergehen soll in ihrem Leben, die um 14.30 Uhr spätestens Feierabend hatte, habe ich viel Zeit im Kino verbracht. In der frühen Abendvorstellung. Das Gefühl, einen Film fast alleine zu gucken, ist mir also vertraut.

The Whale from Lorino habe ich mir ausgeguckt aus dem Programm. Ich mag Dokumentationen über Tschukotka, überhaupt über indigene Völker nördlich des Polarkreises. Aber ich habe zu viele gesehen. Der Film ist nett. Aber nett ist die kleine Schwester von scheiße. Dabei ist der Film gar nicht soo schlecht. Immerhin habe ich mein Strickzeug nicht mal angerührt.
Die Lebenssituation der Einwohner*innen von Lorino kommt deutlich zum Vorschein. Die Armut, das Kämpfen um Leben und Würde. Die Bedeutung, die die Waljagd in ihrem Leben hat, ökonomisch und historisch-kulturell. Die in meinen Augen phänomenale Landschaft. Aber ich stelle mir immer wieder vor, wie der Film wäre, wenn er in meinem Heimatdorf Velgast gedreht worden wäre. Bis auf die Waljagd und die Landschaftsbilder wäre er inhaltlich mehr oder weniger identisch. Kinder in der Schule, im Museum, beim Spielen im Freien. Das Anschreiben im Laden, die Diskussionen des Paares über Geld und die Pläne zur Renovierung. Die alten Frauen, die Dorfdisko im Freien. Selbst die Nerzfarm lässt sich mit Bildern aus dem Kuhstall ersetzen und ändert nichts an der Aussage. Einzig die Waljagd, da weiß ich auf Anhieb keine analogen Bilder oder vergleichbare Geschichten.  Ansonsten? Ich habe diese Bilder von Tschukotka schon oft gesehen, es ist nichts Neues dabei. Nur die Sequenz über Nau, die erste Frau, die berührt mich.

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