Sonntag, 24. Mai 2020

This Train I Ride

Wie oft bin ich schon am Bahnhof gestanden, und langsam, langsam ist ein Güterzug durchgefahren. Manchmal hat er auch mitten auf dem Bahnhof gehalten.  Und IMMER war ich versucht, einfach aufzusteigen, mitzufahren, mich dem Abenteuer hinzugeben. Selbst mit über 35 noch, mit zwei kleinen Mädchen an meiner Seite, auf dem Velgaster Bahnhof. Einfach so aufsteigen und wie die amerikanischen Hobos mitfahren bis Stralsund.
Die Verlockung war immer da. Ich habe es nie gemacht. In Deutschland ist Trainhopping, Trainsurfing, Freightsurfing genauso wie S-Bahn-Surfen, U-Bahn-Surfen lebensgefährlich und meistens tödlich, dazu absolut verboten. In Deutschland gibt es keine Hobos. Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr ist im Strafmaß ziemlich teuer und in Deutschland gibt es zuviel elekrifizierte Strecken, 15.000 Volt springen schon bei einer Entfernung von 1 m über.

U-Bahn-Surfen, genau wie S-Bahn-Surfen geht an mir vorbei, aber Güterzüge machen mich an. Der Gedanke, dort mitzufahren, vermittelt mir ein Gefühl von Freiheit, Unabhängigkeit, Abenteuer. Doch wie gesagt - in Deutschland gibt es keine Hobos. Umso begeisterter bin ich, dass beim DokFest München ein Film zu drei weiblichen Hobos dabei ist. Drei Frauen zwischen 20 und 40  hat der Filmemacher Arno Bitschy begleitet beim illegalen und auch gefährlichen Reisen mit Güterzügen quer durch die USA. Mit grandiosen Bildern von Landschaften und Zügen, mit tiefsinnigen Gesprächen und weisen Worten. Aber auch mit Hintergründen, warum die Frauen auf den Zügen unterwegs sind. Ich war nie so arm, oder so unzufrieden mit meinem Leben, dass ich dieses Risiko wie sie eingehen wollte. Und so ist es beim vielfältigen, bezahlten Reisen in Personenzügen geblieben. Ich weiß, wie groß Europa mit dem Zug ist, weiß, was es bedeutet 14, 18, 25 Stunden unterwegs zu sein mit dem Zug. Warschau, Paris, London, Kopenhagen, Nizza, Bozen, Umbrien, Prag, Wien, zuletzt Bologna, ich kenne das Gefühl, morgens aufzuwachen und in einem anderen Land zu sein, europäische Landschaften bebildert mit Zügen zu sehen. Diese Aufregung und Vorfreude auf neue Erlebnisse, neue Orte, neue Menschen. Der Film This Train I Ride erinnert mich an alle diese wunderbaren Gefühle und lässt das Fernweh wieder voll erwachen. Was ein toller Film!

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