Montag, 18. Januar 2021

Hexenwald

Jahrelang bin ich auf dem Weg nach Sassnitz an dem Abzweig Semper vorbeigefahren.  Mitten im Wald, man kann die inzwischen wunderschön restaurierten Häuser eines kleinen Gutshofes von der Straße aus sehen. Was soll ich da noch extra anhalten. Doch diesmal wollen wir zum Hexenwald. Wie sich zeigt, gibt es nämlich noch ein Herrenhaus, quasi ein Schloss, dort im Wald. Mit einer großen Parkanlage und eben den Hexenwald. 



Vorbei an einem alten Wasserturm, der wie eine Burgruine gebaut ist, fühle ich mich fast sofort im Märchenmodus. Jederzeit kann ich mir vorstellen, wie Hänsel und Gretel durch diesen Wald gestromert sind, auf der Suche nach ihrer Brotkrumenspur. 




Doch dann laufen wir auf den Hexenwald zu. Buchen, verwachsen, verkrüppelt, verdreht, im Kreis. Später lese ich, sie wurden 1920 gepflanzt, sind eine seltene Mutation von Fagus Sylvatica, wie Buche auf botanisch heißt. Fagus sylvatica var. suentelensis heißen die Süntelbuchen korrekt. Im Süntel, einem Bergzug bei Hameln, sind sie inzwischen ausgerottet, weil Forstleute kein Interesse an nicht nutzbarem Holz haben und den dortigen namensgebenden Wald im 19. Jahrhundert schnöde gerodet haben. Sie können nur durch Absenker vermehrt werden, aus den Bucheckern wachsen wieder normalwüchsige Buchen.



Der Kreis der 10 Süntelbuchen wirkt magisch. In jeder dieser Bäume sind Gesichter zu sehen, große Augen, stumpfe Nasen. Als wenn Meerleute hier sich in diesen Bäumen verbergen, im Ringen um Wasser statt Luft für ihre Kiemen haben sie sich verdreht und gewunden. Doch gleichzeitig ist die Atmosphäre an diesem Ort ganz friedlich. Die größte Buche bildet eine Haube über dem Kreis. Jederzeit glaube ich, dass hier ein optimaler Ritualplatz ist. Jemand hat Äpfel, Kohlrabi und Hagebutten auf eine Schnur gezogen und in die Bäume gehängt. Zum Dank an die Geister?





Ein magischer Ort, ein Kraftort. Mit Kraftplätzen ist das so eine Sache. Die Römer kannten das Prinzip des Genius loci, der Geist des Ortes. Und das bezog sich nicht nur auf Naturplätze, sondern auch auf Orte, Gebäude, ganze Landschaften. Geist eines Ortes kann somit geschaffen werden. In der Geomantie ist mit Kraftplatz ein Ort gemeint, der besonders ist, der herausragt, der energetisch resoniert. Insofern kann jeder Ort ein Kraftort werden, können auch Kraftorte geschaffen werden. Der Hexenwald fühlt sich nach so einem Kraftplatz an. 1920 neu erschaffen durch die kreisförmige Anpflanzung der Süntelbuchen. Doch mit welcher Intention, für welche Energie? Schützende weibliche Mutter Erde-Kraft. Tiefe Akzeptanz des eigenen Seins, egal wie verdreht du auf die anderen wirkst. So wie du bist, bist du gut, bist du geliebt. Und finde die anderen, die genauso verdreht sind wie du. Du bist nicht allein. Womit wir wieder bei der schützenden und liebenden Mutter Erde-Kraft sind. 



Der Hexenwald bei Semper auf Rügen, ein Ort, wo es sich jederzeit lohnt hinzufahren. 


1 Kommentar:

  1. Ein sehr schöner Text mit Hintergrund-Infos über diesen wirklich magischen und wunderschönen Ort. Danke :-)

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