Samstag, 1. Juni 2019

Hustenbonbons

Ralf Dörnen, der Ballettmeister am Theater Vorpommern, ist Schüler von Pina Bausch und John Neumeier. Er heimst immer wieder Preise mit seinen Aufführungen und Choreografien ein. Das Ensemble umfasst 12 Tänzerinnen und Tänzer, ist also überschaubar. Dennoch finden sich jedes Jahr zwei junge aufstrebende Choreograf*innen, die im Rahmen der Tanzzeit mit dem Ensemble moderne Tanzstücke einstudieren. Einstudieren wollen. Vermutlich gibt es im Hintergrund einen Auswahlprozess und Konkurrenzkampf. Für die Tänzer*innen gibt es ihn. Sie müssen für die Choreograf*innen vortanzen.

Tanzzeit Premiere also. Zwei Choreografen mit internationalem Background, Finnland, Großbritannien, Portugal. Ausgebildet in den Heimatländern und weitergebildet in Russland, Deutschland und wer weiß wo.
Spätestens dann merke ich wieder die Mehrsprachigkeit des Balletts, die unterschiedlichen Tanzstile der unterschiedlichen Choreograf*innen, der unterschiedlichen Schulen und Regionen der Welt.


Das eine Stück heißt Bridging, das andere Lonely Planets. Beide kreisen um das gleiche Thema: Menschen und ihre Beziehungen zueinander. Auch wenn sie laut Textheft unterschiedliche Sichtweisen und Herangehensweisen haben wollen, die Episoden auf der Bühne ähneln sich. Schmerzhaft. Ob nun Menschen zueinander Brücken bauen wollen, oder sich als einsame Planeten empfinden, die sich zueinander sehnen, die Tänzer*innen bewegen sich aufeinander zu, voneinander weg. In beiden Stücken kommen sie nicht zusammen. Da die Tänzer*innen moderne Klamotten tragen, sind die Bezüge zur Jetztzeit so überdeutlich. Ich vertraue nicht darauf, was Leute sagen, ich glaube nur, was Leute tun. Ballett ist Tun. Vielleicht fassen mich die beiden Stücke auch deshalb so an. Dystopische Beziehungen, selbstgemacht, immer wiederkehrend aktiv hergestellt. Und ich sehe auch die Lücken, die kurzen Augenblicke, wo anderes Verhalten möglich wäre. Und nicht getan wird, nicht ertanzt wird.

Und was haben jetzt die Hustenbonbons damit zu tun? Ganz einfach - ohne sie hätte ich die Ballettaufführung nicht durchgestanden. Klugerweise steht auf dem Garderobentresen ein großes Glas mit Hustenbonbons von Fischermens in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Zwei vor der Pause, zwei nach der Pause. Und kein Hüstler, kein trockener Reizhusten, kein Bellen, kein Röcheln. Nix. Eine vorbildliche Zuschauerin bin ich.

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