Donnerstag, 13. Juni 2019

Rammziege

Deutsche Sprache - schöne Sprache. Nicht zuletzt weil sie lebendig ist und sich kreativ formen lässt. Nichtsdestotrotz wirft sie mich manches mal in die Genderhölle. Eine Profi klingt so falsch in meinen Ohren. Profine geht gar nicht, da kann man gleich Schlumpfine sagen Eine Profa wäre eine Möglichkeit, um einen weiblichen Profi zu bezeichnen, aber das wäre ein ganz neues Wort, das erst mal gar keiner auf Anhieb zuordnen kann. Doch für eins von beiden werden wir uns irgendwann entscheiden, vermute ich mal. Ich bin da gespannt, wohin die Reise geht.
Über die Rammziege bin ich in ZeitOnline gestolpert. Oliver Fritsch benutzt das Wort, um zu beschreiben wie eine Fussball-Nationalspielerin bei der WM in Frankreich agierte. Steinziege als Äquivalent zum Steinbock kannte ich schon, Rammziege ist für mich neu. Mir gefällt das Wort, klingt gut, finde ich.

Mich freut diese Frische und dieser Wagemut von Oliver Fritsch, sich völlig unverkrampft und unverkennbar in diese meine geliebte Gendersprachhölle zu begeben. Da Sprache Realität und Alltag abbildet, bildet sie eben auch die Veränderung der Gesellschaft mit ihren veränderten Geschlechterrollen ab. Und gebiert neue Sprache, neue Möglichkeiten, etwas auszudrücken, etwas zu beschreiben.

Ich bin immer total genervt, wenn in der Zeitung mal wieder so ein Artikel gegen gendergerechte Sprache steht. Ich finde das so oldfashioned. Zumal in meinem Umfeld die meisten Leute wie selbstverständlich halbwegs gendern. Einfach, weil sie es logisch finden. Ist die Kanzlerin eine Frau, heißt sie auch die Kanzlerin. Fertig. Gleiches gilt für die Rektorin, die Dekanin, die Hausmeisterin. Und eben Studierende statt Studenten. Immerhin sind 50 % unserer Studierenden weiblich (50 % unserer Studenten sind weiblich. Das ist mal ein Satz. Bedeutung wäre ein ziemlich hoher Anteil von Leuten, die sich in Transition von einem Geschlecht zum anderen befinden ☺).
Diese Artikel beruhen oft auf einer Pressemitteilung des Vereins für Deutsche Sprache. Nun ist das in Deutschland so, dass wir nicht nur Redefreiheit und Vertragsfreiheit haben, wir haben auch Vereinsfreiheit. Jeder und jede kann einen Verein gründen. Henning Lobin untersucht in seinem Blog-Beitrag "Die Ablehnung der Gendersprache - medial produziert", was ich nur diffus geahnt habe. Durch das Zusammenspiel verschiedener Vereine und im Endeffekt einem überschaubaren Pool von Leuten wird eine mediale Zustimmung produziert. Nur - wie gesagt, in meinem Umfeld nehme ich das ganz anders wahr. Die gegenderte Sprache setzt sich immer mehr durch. Die Realität ist: Es gibt viel verbale Zustimmung zu dieser Ablehnung, und trotzdem wird gegendert in Schrift und Sprache. Ohne viel drüber nachzudenken. HÄ? Verbale Zustimmung bei gleichzeitiger Verhaltensstarre (frei nach Ulrich Beck)? Nein, umgekehrt. Verbale Verhaltensstarre bei realer Umsetzung des Abgelehnten.

Die Gesellschaft für deutsche Sprache ist da so viel realistischer und zeigt mit Augenmaß, wie sich gendern lässt, ohne großen Stress. Selbstverständlich eben. So soll es sein.
Und ich freue mich schon auf neue Wortschöpfungen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen