Dienstag, 18. Juni 2019

Museumstag in Helsinki

Als ich letztes Jahr im November in Helsinki war, habe ich mich geweigert, auch nur ein Museum von innen zu sehen. Die wenigen Stunden, in denen es hier um diese Jahreszeit heller ist, wollte ich lieber draussen verbringen. Doch jetzt ist kurz vor Mittsommer, die Tage sind lang, die Nächte kurz. Also besuche ich das Finnische Nationalmuseum und das Freilichtmuseum auf Seurasaari.

Finnisches Nationalmuseum:


Eingang ins Freilichtmuseum Seurasaari


Die Vorgeschichte ist im Keller des Nationalmuseums untergebracht und ist gruselig, finde ich. Alle Zeiten durcheinander geworfen, ein bisschen zu archäologischen Fundsituationen, ein bisschen hier, ein bisschen da. Pflichtgemäß abgehakt, kann ich niemandem empfehlen hinzugehen. Heimatmuseum eben.


Was aber toll ist, sind die drei laufenden Wechselausstellungen. Im Museumscafe und im Hof stehen großformatige Glasbilder, bearbeitete Fotografien von Lauri Nykopis Kuivopuistu. Sie hat die finnische Natur durch ein (Computer)Kaleidoskop geschickt. Ganz neuer Blick auf gut bekannte Natur.


Ganz andere Fotos von Nick Brandt. Die Ausstellung heißt "Inherit the Dust". Er hat eigene ältere Tierfotos aus Afrika lebensgroß abgezogen. Und sie dann zum Teil genau an der Stelle hingestellt und nochmal fotografiert, wo das ursprüngliche Bild entstanden ist. Beeindruckend bedrückend. Zerstörung von Naturraum sehr plastisch dokumentiert. Inherit the dust! Eher: Erbe die Asche.


Dazu passt die dritte Ausstellung Traces. Spuren. Das Nationalmuseum hat auch eine ethnographische Sammlung. In einem einzigen Raum in einer eher schrankwandähnlichen Vitrine zum drumherumgehen werden Artefakte aus Tier gezeigt. Das reicht von dem altbekannten Papierkorb aus Elefantenfuß bis zu verschiedenen Federhüten. Weil finnische Forscher und Missionare aber auch Polarregionen und den Norden bereist, erforscht, besammelt haben, beinhaltet die Ausstellung auch Stücke aus meinen Lieblingsregionen. Eine Eisbärenfellhose aus Grönland, ein Plaid aus aufgenähten Schwanendaunen aus Nunavut, ein Schlitten mit Walrossknochenkufen vom Kap Dezhnev in Tschukotka.


Und an den Wänden eine Diskussion über Tierrechte und den Menschen als Krone der Schöpfung. Bis hin zum Wiedergeburtsglauben der Hindus, wo man für böse Taten durchausmal nicht mehr als Mensch wiedergeboren wird, sondern als Tier. Stoff zum Nachdenken. Denn da bin ich Schamanin, Animistin, Christin durch und durch. Wahrnehmung von Natur als beseelt, Respekt vor der Schöpfung als Gottes Geschenk, Annahme des Geschenks auf respektvolle Weise. Und das schließt notwendige Nutzung mit ein. Die Grenzen, das Ausmaß, das sind die Fragen, die mich umtreiben.

Im Freilichtmuseum auf der Insel Seurasaari gibt es keine Tiere. Die Höfe und Häuser sind leer bis auf Möbel und ein paar Utensilien zum alltäglichen Leben. Spannend finde ich die Siebe, die ich allenthalben sehe. Quelle 
Aber nur, weil ich aus anderer Quelle weiß, dass sie zum wahrsagen und für Seancen genutzt wurden. Dennoch bekomme ich ein Gefühl für das ländliche Finnland des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Und vermutlich tausende Jahre vorher. Direkt neben Seurasaari liegt Pokkisaari. Dort ist ein eisenzeitliches Dorf aufgebaut. Und die Unterschiede sind bis auf Kirche und Pastorat nicht groß. Erst mit Sommerhäusern und dem Kontakt mit der Stadt verändert sich der Baustil. Form follows function mal ganz anders interpretiert. Die finnischen Ackerbauern mit ihren Tieren unterm gleichen Dach, dazu Scheunen und Schuppen, mit einzigem Baumaterial Holz, hatten nicht viel Grund was anderes als Blockhäuser zu bauen.







Was mir aber wieder auffällt: schon bei der Traces-Ausstellung kein Exponat von den Sami, den Rentiernomaden Skandinaviens, die früher Lappen hiessen. Sami gibt es in Schweden, Norwegen, Finnland und Russland. In einem Freilichtmuseum, das ein Blockhaus aus Karelien zeigt, das politisch mal zu Finnland, heute zu Russland gehört, müsste doch auch was zu Sami stehen. Tut es aber nicht! Kulturimperialismus durch verschweigen. Unterdrückung ist Unterdrückung. Wir Europäer*innen haben da nämlich auch keine weiße Weste im Umgang mit der eigenen indigenen Bevölkerung.

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