Mittwoch, 22. Mai 2019

Crossover beim Bolschoi

Crossover heißt für mich, das verschiedene (Musik)Genre-Grenzen überschritten werden. Nicht ein gruseliger Mischmasch, sondern ein kreatives Zusammenführen verschiedener Stile.
Crossover heißt für mich auch, wenn Klassik und Pop zusammentreffen, auch im Tanz. Ich mag Ballett, ich mag Modern, ich mag Breakdance, einmal querbeet alle Tanzstile. Ich höre alle möglichen Musikstile, ich mag alle möglichen Arten von Tanz.
Nun also Crossover im Bolschoi-Ballett.
Das Bolschoi-Ballett ist für mich eine der klassischsten Ballett-Kompagnien der Welt. Sie führen immer noch Stücke nach der Orginalchoreographie von Marius Petipa von 1877 auf. Mit den restaurierten Orginalkostümen, weil die noch im Fundus hängen. Obercool. Und supertraditionell. Insofern ist die Tatsache, dass sie ein Ballett originalgetreu aufführen, dessen Premiere 1967 war, schon fast futuristisch. Spannend finde ich, wie sehr sich die (Ballett)Körpersprache in diesen knapp 100 Jahren verändert hat. Die Primaballerina, und auch die beiden Ballerinos (heißen männliche Balletttänzer wirklich so? Ich habe mir das ausgedacht in Analogie zu Ballerina. Die Tücken der gendergerechten Sprache), die Balletttänzer*innen jedenfalls zeigen Bewegungen, die zum Geist der 68er Zeit passen. Dabei ist die Musik von 1875.
Denn das bedeutet in dem konkreten Fall Crossover: das Bolschoi-Ballett tanzt eine Oper. Carmen von Bizet. Mit zusätzlichen Kompositionen bzw. Variationen des Carmen-Themas von Rodion Shchedrin. Choreografiert 1967 von Alberto Alonso für die Primaballerina Maya Plisetskaya wird eine leicht veränderte, von ihm autorisierte auf die jetzige Primaballerina Svetlana Zakharova zugeschnittene Fassung gezeigt.
Carmen komprimiert, kompromisslos gekürzt. Eine Frau, zwei Männer, das Schicksal. Intensiv und berührend.
Dagegen fällt das zweite Stück an diesem Kino-Ballett-Abend deutlich ab. Petrushka ist zwar virtuos getanzt, tolle Kostüme und ein anspielungsreiches Matruschka-Bühnenbild. Aber es komnt nicht an gegen die Intensität der Carmen-Aufführung.

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