Sonntag, 12. Mai 2019

Hamlet

Ich kann dem Stück Hamlet nichts abgewinnen. Es erschließt sich mir inhaltlich nicht. Ok, der alte König ist tot. Es ist nicht klar, ob es ein Unfall ist oder Mord. Es ist nicht erkennbar, ob es dann Brudermord oder Gattenmord ist. Ebenso wenig erkennbar ist, ob es vor dem Tod des alten Königs schon eine sexuelle Beziehung, ein Verhältnis oder was auch immer zwischen der Königin und dem neuen König gab. Fakt ist: der König ist tot, es lebe der neue König. Und darüber wird Sohnemann Hamlet verrückt. Hä? Verstehe ich nicht. Wenn Hamlet nach Macht streben würde, selbst König werden wollte, wenn er ein klares Ziel im Sinne von Aufdeckung ob Mord und Betrug hätte, dann könnte ich es nachvollziehen. Aber das erkenne ich nicht im Stück. Hamlet jault rum und nichts passiert, ausser das zum Schluss alle tot sind. Seine Beweggründe bleiben für mich im Dunkeln. Zu beschließen, sich wahnsinnig zu stellen, um die Wahrheit aufzudecken? Wie bescheuert ist das denn? Als Prinz von Dänemark sollte er doch wenigstens ein bisschen macchiavellischen Unterricht gehabt haben.

In mir findet die Geschichte keine Resonanz. Bis ich jetzt endlich eine Erklärung gefunden habe, eine Struktur, ein Muster sehe. Die Information Mord stammt von Hamlets Vater selbst, genauer gesagt von seinem Geist. Nun ist das mit Geistern so eine Sache. Im schamanischen gibt es das Konzept der rachsüchtigen, bösartigen Ahnengeister. Die ihre Nachkommen ins Unglück stürzen. Damit ergibt sich für mich sofort Sinn in der Geschichte. Und so kann ich entspannt ins Schauspielhaus Düsseldorf gehen und mir die Hamlet-Aufführung mit Christian Friedel und Woods of Birnam angucken. Und bin hin und weg. Christian Friedel ist ein begnadeter Schauspieler. Die Schlussszene(n) bestreitet er ganz alleine, er ist Laertes, die Königin, der König und Hamlet. Er flitzt auf der Bühne hin und her, nur durch Veränderung seiner körperlichen Präsenz erkennt man, wen er gerade darstellt. Der nuschelnde, schlurfende Laertes, der dynamische, federnde Claudius, die feminine Königin, der durchgedrehte Hamlet. Irre, Wahnsinn, klasse. Die anderen Schauspieler sind auch gut, Christian Erdmann als König Claudius gefällt mir grandios. Doch Christian Friedel toppt alles.

Und dann die Band Woods of Birnam. Der Auftritt Hamlets, die Aufführung, die im ursprünglichen Text ja vorgesehen ist, wird hier durch die Band gestaltet. Mit Christian Friedel als Leadsänger. Mit den Texten passend zum Stück, genuiner Teil des Stücks. Wie überhaupt die Sprache changiert zwischen der komplizierten Satzstruktur aus dem Original und kurzen Bemerkungen, Dreiwortsätzen der Jetztzeit.
Rundum gelungen die Aufführung. Kein Wunder, dass sie ständig ausverkauft ist.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen