Samstag, 20. Juli 2019

Jesus Christ Superstar

Das Theather Vopommen hat dieses Jahr im Open Air-Sommerangebot das Musical Jesus Christ Superstar. Auf der Wiese vor dem Hansagymnasium, mit Blick auf den Sund, sind die Tribünen aufgebaut. Coole Hintergrundkulisse für die eher spartanische Bühne.


Die Chöre der Stadt können Sängerinnen und Sänger entsenden für den Musicalchor, eine Freundin von mir ist dabei. Jede Menge Grund also, hinzugehen. Was ich nicht erwartet hatte: ich bin absolut textsicher. Das Theater hat die deutsche Version gewählt, strategisch angesichts einer Bevölkerung, die überwiegend weder christlich noch des Englischen mächtig ist, eine gute Entscheidung. In meinem Kopf läuft simultan die englische Fassung, und ich kann auch die deutschen Texte mitsingen. Puhah. Ich erinnere nicht, wann und wo ich das Musical schon mal gesehen haben könnte. Ich erinnere auch nicht, den Film irgendwo gesehen zu haben. Aber da ich Bilderfetzen erinnere, muss ich irgendwas auf Bühne oder Leinwand gesehen haben. Und die Musik ziemlich oft gehört haben, wenn ich schon in der Overtüre die verschiedenen Stimmen und Szenen zuordnen kann anhand der Musik.

Auf jeden Fall beeindruckt mich die Geschichte, nimmt sie mich mit in die Anfangszeit der Entstehung meiner Religion. Bevor die Kirche und ihre weißen alten Männer die Deutungshoheit über die Geschichte(n) erlangt haben. Da blättern kaleidoskopartig nochmal all die vielen Seiten auf, warum Christentum eine gute Religion sein kann. Heilwerden durch Glauben, Kontakt zu Gott auf direktem Wege, Not und Gottvertrauen; all diese Worte, die so oft Floskeln sind, und gleichzeitig einen tiefen Klang haben können: Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund; Gottes unerforscherlicher Ratschluss. All das wird in dem Musical angerissen. In meinen Augen ist es ein Wunder, dass die Zuhörer*innen sich nicht gleich am nächsten Tag in der Kirche melden. Zumal die Musik grandios ist, und zu Recht den Weltruhm von Andrew Lloyd-Webber begründet hat. Aber Kirche, und Christus, Religion und Spiritualität sind unterschiedliche Dinge. Die Kirche in ihrer jetzigen Gestalt, vor allem die katholische, ist für mich eine trauige Figur. Sie hat den Anschluss an die Moderne verpasst. Die vielen Möglichkeiten zur Mystik, liebvoller Umarmung des Unbegreiflichen, Akzeptanz und Preisung des Leiblichen, Einbeziehung und Wertschätzung des realen Weiblichen und und und. Soviele verpasste Chancen allein in den letzten 50 Jahren seit dem 2. Vatikanischen Konzil. Zu spät. In dem Buch "Die Nebel von Avalon" von Marion Zimmer-Bradley ist gegen Ende eine Szene, in der Morgaine durch die Nebel tritt und auf ihrer Insel in der neuen Zeit und Realität ein christliches Kloster findet. Das was dort beschrieben ist mit Christentum als der jungen Religion und ihrer Religion als alter Religion, erlebt Christentum jetzt als alte Religion. Die Menschen finden nicht mehr durch den Nebel, wollen nicht mehr Teil der abgeschotteten, engen, bigotten Kirchenwelt sein. Weil aber Spiritualität ein Grundbedürfnis ist, finden wir neue Wege, neue Religionen. Und ich finde es noch lange nicht eindeutig in welche Richtung welcher neuen Religion es gehen wird.

Aber um das alles geht es bei Jesus Christ Superstar gar nicht. Sondern nur um die klassische Geschichte aus den Evangelien. "Literarische Vorlage: Evangelium" steht bei Wikipedia. Das Theater Vorpommern hat das Stück solide inszeniert und stimmlich gut besetzt, vor allem Sasha di Capri als Judas und Martin Mulders als Annas haben mir super gefallen. Der tiefe Bass von Andrej Valigueras als Kaiaphas war ebenfalls hörenswert. Dagegen fielen sowohl Feline Zimmermann als Maria Magdalena als auch Chris Murray als Jesus ziemlich ab. Zumal beide mit dämlichen Kostümen geschlagen sind. Da kommen die ersten drei ungleich besser weg und waren auch deutlich präsenter. Egal - die Aufführung ist sehenswert.



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