Sonntag, 7. Juli 2019

Kaliningrad


So ganz ohne die typischen touristischen Besichtigungspunkte wollte ich Kaliningrad doch nicht verlassen.



Also habe ich mir den Wecker auf fünf Uhr morgens gestellt. Da das Boot um acht Uhr starten wollte, war das die einzige Zeitlücke, die möglich war. Demzufolge bin ich durch ein morgendliches, menschenleeres Kaliningrad gelaufen. Einzig die Straßenkehrer und Straßenkehrinnen haben mir Gesellschaft geleistet. Besonders die Dominsel hat mich beeindruckt. Überall sind Tafeln aufgestellt, auf denen Fotografien aus der Vorkriegszeit abgebildet sind. Wenn man dann um sich blickt, sieht man – nichts davon. Auf der Dominsel gibt es außer dem Dom kein einziges Gebäude. Alles ist ein großzügiger schön angelegter Park. Das fand ich ziemlich spooky. Zumal morgens um halb sieben außer ein paar Joggerinnen und ein paar Anglern niemand unterwegs war.




Die Alexander von Humboldt 2 liegt im Industriehafen von Kaliningrad. Für den Stadthafen direkt am Museum der Weltmeere sind die Masten zu hoch. Die Hubbrücke geht nur auf 15 m hoch, und direkt dahinter spannen die Strommasten ihre Kabel über den Pregel, eher 20 m über dem Fluss statt der knapp 40 m, die die Alex benötigt.




Das moderne Kaliningrad wirkt auf mich wie eine normale sozialistische Stadt, die in sich authentisch ist. Da ich keinerlei Verwandtschaft aus Ostpreußen, Samland oder Schlesien habe, verbindet mich nichts mit dem deutschen preußischen Königsberg. Ich sehe das russische Kaliningrad und nehme es an, wie es ist. Und habe zig Fragen an die russischen Gäste auf dem Empfang des deutschen Generalkonsulats auf der Alex.

Welches reale Segelschiff mit Heimathafen Archangelsk  ist auf dem 500-Rubelschein abgebildet?

Hat jede russische Stadt eine ewige Flamme zum Gedenken an die gefallenen Soldaten? Ein solches Denkmal habe ich nämlich in Kaliningrad und in Zelenogradsk gesehen.  Und an welchen Krieg erinnert das zugehörige Denkmal? 2. Weltkrieg oder auch 1. Weltkrieg?



Liegt die Kruzensthern im Moment auch in Kaliningrad? Ihr Heimathafen ist nämlich Baltysk, der Seehafen von Kaliningrad. Und da der Kapitän auf dem Empfang ist, erscheint mir das eine logische Frage.

Wie funktioniert das mit den Autokennzeichen? Fast alle Autos haben nämlich ein Kennzeichen mit einer 39 über der russischen Flagge auf der rechten Seite. In den restlichen Buchstaben-Zahlen-Kombinationen (1 Buchstabe, 3 Zahlen, 2 Buchstaben) kann ich nämlich kein Muster erkennen. Und gibt es sowas wie einen TÜV? Auf den Kennzeichen ist nämlich keine Plakette zu sehen.

Ist der Heißwasserturm des Caterers sowas wie ein moderner Samowar?

Der Generalkonsul hat vorwiegend deutschsprachige Menschen eingeladen. Und so plaudere ich mit meinem beruflichen Counterpart von der TU Kaliningrad, der mir von seinen Ausgründungsprojekten im Bereich Fischverwertung erzählt, mit einem Kumpel von ihm über die Sonderwirtschaftszone Kaliningrad und die ab Montag gültigen neuen Visa-Bestimmungen, mit einer Deutschlehrerin, die ursprünglich aus Kasachstan stammt (und keinen Akzent hat!), einem Stadtführer der Freunde Kants, mit dem Kapitän der Kruzenshtern, der Frau des Generalkonsuls und und und. Es ist einfach vergnüglich mit so vielen Leuten zu reden. Und das Orchester ist einfach grandios.


Und hier die Antworten:
Es ist kein reales Schiff auf dem 500-Rubel-Schein, keines der Segelschulschiffe der russischen Marine hat Archangelsk als Heimathafen.

Fast jede russische Stadt hat so eine ewige Flamme. Ursprünglich gedacht zur Ehrung der Gefallenen im 2. Weltkrieg dient sie heute auch zur Erinnerung an die Gefallenen der neueren Kriege, wie die Tschetschenien-Kriege.

Die Kruzenshtern ist zur Zeit unterwegs auf den Weltmeeren, konkret in der Nordsee auf dem Weg nach Kiel. Er, der Kapitän Michail W. Nowikow unterstützt die anderen Kapitäne in der Ausbildung, deshalb ist er im Moment vor Ort.

Die 39 kennzeichnet den Rajon Kaliningrad, die Buchstaben-Zahlen-Kombination ist zufällig, ohne eine Struktur dahinter. Einen TÜV gibt es nicht. Einzig die Versicherung verlangt, dass man jedes Jahr eine Untersuchung machen lässt. Oder einen Aufpreis zahlt.

Und der Heißwasserturm als moderner Samowar? Der Caterer lacht sich schlapp darüber. Und ich kriege keine Antwort.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen