Sonntag, 28. Juni 2020

Voodoo

Afrika ist mir fremd. Das stelle ich jedesmal fest, wenn ich im Museum bin, sei es ein Ethnologisches oder ein Kunstmuseum. Ich bin dabei, mir Wissen anzueignen, weil es in meinem Umfeld Leute gibt, die sich dafür aber sehr interessieren. Von daher ist es sonnenklar, wenn ich schon in Hildesheim bin, gucke ich mir auch die Voodoo-Ausstellung im Römer-Pelizäus-Museum an. Dank Corona ist sie verlängert bin zum September.




Über Voodoo weiß ich nicht viel, ausser Zombies, Voodoopuppen und was in dem Disney-Film "Küss den Frosch" vorkommt. Und so überrascht mich die Ausstellung in ihrer Vielfalt der verschiedenen Strömungen der Voodoo-Religion. Sie verstört mich in der klaren Benennung des Sklavenhandels im 17. und 18. Jahrhundert als Hintergrund für die Verbreitung und die Entwicklung. Klar weiß ich darum. Aber Sklavenfesseln, Lederpeitschen und ähnliches Sachgut des Sklavenhandels, die klare Benennung und Darstellung, macht die Unmenschlichkeit plastischer bis hin zur schweren Erträglichkeit.


Das wird noch verstärkt durch weitere Ausstellungen im Römer-Pelizäus-Museum. Unser Afrika inszeniert bildschöne Fotografien mit Originaltexten von Kolonialisten aus Südwest-Afrika, eine weitere kleine Ausstellung zeigt die Trachtveränderungen von Herero-Frauen und -Mädchen durch Kolonialismus und Missionare. Heavy. Gerade das schwarze Ausstellungsplakat fühlt sich für mich durch das auf Facebook gepostete schwarze Bild im Zusammenhang mit den Rassismus-Vorwürfen und Solidarisierungen ganz gruselig an.



Die letztgenannten beiden Ausstellungen haben aber nichts mit der Voodoo-Ausstellung zu tun, ausser dass sie sich auf den Kontinent Afrika beziehen. Das, was über die Voodoo-Religion selbst zu sehen ist, was zu lesen ist, zeigt mir eine farbenfrohe, fröhliche, lebenszugewandte Religion, mit einen Obergott und vielen Nebengöttern/Heiligen. Gleichzeitig fremd und vertraut. Die Masken und die Umzüge erinnern mich an Traditionsumzüge in Bayern, an Alpendämonen bis hin zur alemannischen Fasnacht. Die Bocios und auch andere Objekte erinnern mich an Votivgaben. Manches ist zutiefst schamanisch, wie die Kongo-Pakete, die Seelenflaschen und belebten Objekte. Und das Konzept, dass (körper)behinderte Menschen dem größten Loa (aka Geistwesen) heilig sind, und somit schützenswert, finde ich auffallend und sehr positiv.





Beeindruckend (und für mich subjektiv optisch scheußlich) ist der aktive Altar, der aus Essen ausgeliehen ist. Wie auch einige der anderen Exponate noch spirituell aufgeladen sind, wie ich meinen Kopfschmerzen an manchen Vitrinen entnehmen kann. So vieles mir vertraut erscheint, gerade im religiösen und spirituellen Konzept, optisch ist mir vieles fremd, fremd, fremd. Eine oberspannende Ausstellung, die so vielfältig ist, dass sie durchaus mehrere Besuche verträgt. Gerade auch mit diesem Mehrklang aus afrikanischer Herkunft und bis heute Staatsreligion in Kongo und Benin, dem finsteren Kapitel Sklavenhandel und dann die heutigen Ausprägungen und Veränderungen der Religion in Brasilien, Haiti und Louisiana. Und einem Abschluss mit Voodoo in der Popkultur.

Zombies gibt es laut Ausstellung in Haiti wirklich, allerdings handelt es sich wohl entweder um hochtraumatisierte Menschen oder Menschen unter bestimmten Drogen oder Betrügern, die trauernden Angehörigen was vorspielen. Die Voodoo-Puppen kommen als Idee und Tradition aus dem frühneuzeitlichen Europa. Und der Disney-Film "Küss den Frosch"?  Der spielt in New Orleans, wo es eine der vielen in der Ausstellung vorgestellten Unterformen des Voodoo gibt. Und genau wie im Film zeigt auch die Ausstellung, dass Voodoo als Religion gar nicht auf Hexerei aus ist, sondern auf ein tiefes Verständnis von Menschlichkeit und Unterstützung in allen Lebenslagen.

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