Dienstag, 23. Februar 2021

Segeln mit Odysseus

Homer ist ein Schwaller. Ich weiß, ich weiß, die Odyssee genauso wie die Ilias sind Weltliteratur, ganz große Kunst, laber, laber, laber. 
Ich habe die letzte Woche jeden Abend ein paar Kapitel gelesen, vorne angefangen und hinten aufgehört, die Reclam-Ausgabe von 2019 in der Übersetzung durch Roland Hampe 1979.

Die Geschichte an sich ist altbekannt,  ich habe als Jugendliche die Schwab-Ausgabe gelesen. Und ja, in den Grundzügen sind die Geschichten wirklich genau so, wie ich sie erinnere. Nur - jetzt als Erwachsene, mit der Originalausgabe, zucke ich sehr zusammen, wer mit wem das Lager teilt, willig oder unwillig (wie der unwillige Odysseus und die willige Kalypso), frage mich sehr, wie es wohl Helena ging, wieder zurück bei Menelaos, nachdem sie zweimal mit wem anders verheiratet war in Troja. Bin geschockt über die Selbstverständlichkeit, mit der über Raubzüge, Sklaverei und Verschleppung berichtet wird. Bin angewidert, was für ein mieses Schlitzohr Odysseus ist, der überlegt, ob er mehr bekommt, wenn er gleich raubt oder wenn er sich auf Gastgeschenke verlegt. Überhaupt dieses Tauschsystem der Gastfreundschaft. Es ist eine mir fremde Kultur. Witzig finde ich das klar Aussprechen der Kalypso, dass selbst für Göttinnen andere Regeln gelten als für Götter, wenn es um sexuelle Selbstbestimmung geht. Auch interessant für mich die Szene im Hades, wo Odysseus jede Menge Heroinen begrüßt. Da sind Namen dabei, Tyro, Chloris, Iphimedeia, Marai, die habe ich noch nie gehört, da kenne ich keinerlei Hintergrundgeschichten. Über die Szene, wo Odysseus über die Jugend schlecht redet, habe ich ziemlich gegrinst. Homer hat seinen Sermon um 800 vor Christus geschrieben. 


Dennoch - dieses Sprache von Homer, dieses Geschwalle, urgh. Die rosenfingrige Eos ist die Morgenröte, der Sonnenaufgang, wahlweise auch die golden thronende Eos oder die prächtig thronende Eos. Irgendwie ist da morgens nie bedeckter oder grauer Himmel. Vermutlich muss Dichtung so sein, nur ist es nicht mein Geschmack. Die Beiworte, die Adjektive, die Zuschreibungen finde ich schon gewöhnungsbedürftig. Die flechtentragende Kalypso, die schöngelockte Helena, die Hyazinthenblüten gleich ist. Überhaupt die Fixierung von Homer auf Locken, echt grenzwertig. Dass Penelope sich immer den schimmernden Schleier über die Wangen zieht, wenn sie in der großen Halle Auftritt, mutet mich auch seltsam an.


Spannend sind, und da schwallt Homer gar nicht, sondern ist ganz nüchtern, die Passagen über Segelschiffe,  Segeln, Rudern, Bootsbau. Dass die Masten immer erst eingesetzt werden müssen, die Schiffe auf den Strand hochgezogen werden, die Abhängigkeit von den Winden, die Gefahr von Stürmen. Auch die Passage, wo Odysseus als Schiffbrüchiger mit dem Meer ringt, sich an die Felsen klammert. Das finde ich wirklich große Dichtung, da kommt die Dramatik, das Lebensbedrohliche deutlich zum Ausdruck. 

Insofern muss ich zugeben, unterm Strich war die Odyssee doch eine kurzweilige Lektüre auf diesem Segeltörn. 



Die rosenfingrige Eos über der Nordsee. 



Der feststehende Mastfuß der Alex.








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