Samstag, 20. März 2021

Zimmereinblicke

Materielle Kultur ist für mich ein Zauberwort aus der Archäologie. Gemeint ist damit alles, was von Menschen gemacht ist. Im engeren Sinn sind es vor allem Alltagsgegenstände, die damit gemeint sind, Keramik, Eisengeräte, Schmuck, Waffen, all sowas. Gebäude, Siedlungsstrukturen, Gräber an sich sind damit theoretisch mitgemeint. Aber mir geht es hier um all das Zeugs, das uns umgibt.


Laut der archäologischen Lehrmeinung determiniert die materielle Kultur uns. Man soll daran ablesen können, was für ein Mensch wir waren, je nachdem, was wir im Tode mit uns führen. Welche Zeit, welche Region, welcher archäologischen Kultur wir also angehören. Aber auch welche sozioökonomische Stellung wir einnehmen, also wieviel Geld und wieviel Macht wir haben.


Nun habe ich durch die ganzen Videokonferenzen Einblick in viele Wohnungen, in Wohn- und Arbeitszimmer, in Wohnküchen, WG-Zimmer. Die ganze Breite einer Hochschule von Profs über Mitarbeitende bis hin zu Studierenden, inkl. den Leuten aus den Vorstellungsgesprächen. Dazu meine Gleichstellungskolleginnen bundesweit. 

 

Nun sollte man also meinen, dass sich das in der materiellen Kultur widerspiegelt. Pustekuchen. Klar, es gibt die Inszenierungen eines großbürgerlichen Arbeitszimmers mit Sekretär und (kleinem) Ölbild im Hintergrund. Doch ebenso gibt es den Blick in die große Wohnküche mit der Bügelwäsche über der Sofalehne. Aufgeräumte und unaufgeräumte WG-Zimmer. 

 

Was mich wirklich fasziniert: die unterschiedlichen Arbeitszimmer. Der eine Professor, wo klar zu sehen ist, der sitzt im alten Kinderzimmer. Die eine Mitarbeiterin, die in einem eher sterilen Altbau mit Holzgefachen im Hintergrund an der Videokonferenz teilnimmt, die andere vor der Kiefernschrankwand, die definitv eine Sonderanfertigung für den Raum ist. Ganz andere Optik, aber beide Male kein Einblick hinter die öffentliche Persona. 

 

Meine Gleichstellungskolleginnen bilden noch am ehesten eine einheitliche sozioökonomische Gruppe, mit bundesdeutscher Hochschulkultur im Hintergrund. Dort sind am ehesten auch einheitliche Arbeitsräume zu sehen, gerne im Altbau, mit Büchern, viel weiße Räume und Möbel im privaten Bereich, selbst bei denen, die im ehemaligen Kinderzimmer oder Gästezimmer sitzen, bzw. das übliche Büromöbelgrau in den Dienstzimmern. Doch auch da gibt es die Ausreißer in der materiellen Kultur. Zu denen ich definitv gehöre.

 

Mein Homeoffice zeigt mich in meinem WG-Zimmer mit Kommode und Wandteppich im Hintergrund. Hier habe ich gar nichts verändert. Mein Büro dagegen habe ich dezent um- und aufgeräumt, normalerweise ist hinter mir nämlich meine Kaffeeecke. Jetzt bin ich teilgerahmt von Grünzeug. Und nirgendwo sind volle Bücherregale zu sehen, die normalerweise ein materielles Zeichen für Akademiker*innen sind.







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