Dienstag, 21. Februar 2017

Besuch in Baden-Baden

Meine Reiselust hat mich in die meisten größeren deutschen Städte geführt. Doch es gibt immer noch weiße Flecke auf meiner inneren Expeditionslandkarte von Deutschland. Dazu gehört nicht nur der Bayrische Wald, sondern auch der Schwarzwald. Und eben Baden-Baden. Nun ist ein Freund von mir dorthin gezogen.

Baden-Baden. Wer jetzt an Glamour, Pferderennen, Spielcasino denkt, weit gefehlt. Oder vielleicht doch richtig. Baden-Baden hat nur 50.000 Einwohner (Stralsund als Vergleich 58.00 EW), aber einen legendären Ruf als mondänes Bad, als Sommer-Hauptstadt Europas im 18. und 19. Jahrhundert. Als Stadt der Reichen bis heute. Der alten, älteren Reichen.

Da ich aber ich bin, gab es ein ganz anderes Programm: Eine wunderschöne Wanderung über den Panorama Höhenweg, ein Fünftel um die Stadt herum. Spaziergang durch die Stadt, durch den Park. Im Schwarzwald gebrannter Kaffee im Kaffeesack, ein Panini draußen auf der Bank im Café Lumen. Hidden Figures im Kino gucken, vorher beim (angesagten) Spanier Tapas futtern.
Und zweimal wunderschöne Kirchen-Fensterbilder zu Marienthemen. In der Stiftskirche und im Cisterzienserinnenkloster Lichtenthal. Altäre und Grabmäler sind nicht so mein Ding. Obwohl das Grabmal in der Stiftskirche für den Türkenlouis, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, mit seinen Kanonenrohren und - kugeln, mit den Kriegstrommeln gruselig beeindruckend ist. Aber mit Glasfenstern lockt man mich in jede Kirche. Licht in Farbe gebracht. Gerade die Fenster im Kloster Lichtenthal haben mich umgehauen. Ganz viel blau, Maria Meerstern, vor allem aber ganz viele kleine Scherben, die zusammen ein großes Bild ergeben. So zerscherbt, wie ich mein Leben immer noch wahrnehme. Und dann die Hoffnung zu spüren, dass meine vielen kleinen Scherben vielleicht doch ein größeres, verständliches, vielleicht sogar sinnhaftes Bild ergeben können. Komm nicht auf Scherben zum stehn, singt Andreas Bourani in seinem Lied Hey. Sie in ein Gemälde aus Licht zu verwandeln ist eine gute Option.

Was war das ein schönes Wochenende! Genau was ich mag. Gemeinsam Wandern, durch die Stadt laufen, Kaffee trinken, Kirchen begucken mit wunderschönen Glasfenstern. Ins Kino, essen gehen, zusammen abhängen. Eine interessante Diskussionsveranstaltung über kirchliche religiöse Themen gemeinsam besuchen. Wunderschön. Sei mal bei jemand zu Besuch, der ähnlich bizarre Interessen hat. Wer interessiert sich denn heute noch offen für Kirche und kirchliche Themen. 

Und die Diskussion hat mich echt gefesselt. "Was ist verbindlich? Heilige Schrift und kirchliche Tradition". Gewachsene Historie gegen das (angeblich) reine Wort. Eine Disputation. Schickes Wort für Diskussionsveranstaltung. Die Männer, die da geredet haben, die das Input bestritten haben, lebten ziemlich in der Vergangenheit. "Mein Freund Erasmus", hat der eine Prof. gesagt. Gemeint war Erasmus von Rotterdam, 15hundertirgendwas hat der gelebt. Von dem anderen Prof. viel Bezug auf Luther und seine Zeit, auf seine Beweggründe.
Sola Scriptura ist der Fachbegriff für die allein seligmachende Schriftgläubigkeit. Dann gibt es noch Sola Fides (allein der Glaube) und Sola Gratia (allein die Gnade). Da dachte ich ja an Gottes Gnade generell. Aber so war es nicht gemeint. Gottes Gnade in Bezug auf Glauben. Das Gott uns den Glauben schenkt und wir uns nicht entscheiden können dazu oder dagegen. Hühnerkacke. Zumindest das mit dem Entscheiden. Für mich theologisches Gewäsch. Bzw. das mit der geschenkten Gnade kann ja sein. Aber warum macht Gott es uns so schwer? Wo ist da der liebende Gott? Ich denke, Gott hat uns Glauben, Liebe, Hoffnung, all das schon längst geschenkt. Nur wir mit unseren begrenzten Menschenherzen und -hirnen haben unsere Probleme mit der Annahme des Geschenks. Weil wir uns aus irgendwelchen Gründen nicht wert genug fühlen, so ein großes Geschenk zu erhalten. Wir machen es uns schwer.

Mir war ziemlich schnell klar, dass sie sich in ihrer Diskussion im Kreise drehen. Sowohl die Bibel in all ihren Fassungen und Übersetzungen als auch die gewachsene Kirchenlehre sind alle menschengemacht (vermutlich sogar ziemlich rein männergemacht. Und auch da nur von den reichen, gebildeten Männern).
Die mich wirklich bewegenden Fragen, da sind sie gar nicht viel zu gekommen. Im Prinzip waren der Kathole und der Evangele sich sowieso einig. Beides absolut zu setzen ist nicht das Richtige. Beides anzuhören, und dann aufgrund des eigenen Gewissens zu entscheiden, das erschien ihnen der richtige Weg. Dabei fängt da das Dilemma doch erst richtig an.
Wenn mein Gewissen zählt, wer schult mein Gewissen nach welchen Regeln, welcher Moral? Welche verbindlichen Grundregeln gibt es? Und wer setzt sie, wer vermittelt sie? Da sieht die Frage nach Verbindlichkeit auf einmal ganz anders aus und geht über Traditionen und Bibelworte weit hinaus. Welche Werte sind die Richtschnur meines Handelns?
Gewissen ist für mich ein Teilbereich meiner Seele. Die Frage, die in einem der Heiligenfeld-Seminare gestellt wurde (und die ich für eine Entscheidende halte): was will deine Seele? Und egal, was die Seele konkret antwortet, es ist immer etwas Lebensbejahendes. Etwas Heilendes.
Gott schaut auf das Herz. Oder das was für jede und jeden von uns Gott bedeutet als Liebendes Element, das alles durchdringt, schaut auf das Herz. Gott liebt uns, egal wie wir drauf sind. Wenn wir aber mit uns, mit unserem Gewissen im Reinen sein wollen, wenn wir ein gutes Menschenleben führen wollen, dann ist liebevoller Umgang mit uns selbst und mit allen anderen eine gute Richtschnur des Handelns. Höre auf dein Herz, auf deine Seele.

Oh weh. Ein Wochenende in Baden-Baden, und ich halte hier Predigten. Dabei ist die Stadt den materiellen Dingen durchaus zugewandt. Und ich auch :). Jede Menge Porsches und derartige Rennautos, ein wunderschöner Mercedes Geländewagen, hochbeinig, Allradantrieb, mitten auf dem Marktplatz. Ich bin extra zurück gelaufen, um ihn mir von Nahem anzugucken. Klamotten-Läden, Schaufenster mit Sale 50%, wo der - zugegebenermaßen ziemlich schicke - Pulli nur noch 180 € kostet. Schmuckdesigner mit wunderhübschen Ketten und Armbändern. In Baden-Baden gibt es mehr Leute mit Geld als anderswo und das zeigt sich im Angebot. Der Kurpark ist selbst im Spätwinter, im Vorfrühling, ein wunderschöner Park. Die Krokusse und die Winterlinge haben die Knospen dick,  die Bäume rahmen die Wege. Der formale Rosengarten noch ohne Rosen lässt in seiner strengen Anlage den Sommer ahnen. Die Oos, der Fluss durch die Stadt hat von Anfang bis Ende ein gepflastertes Bett. Das hat schon was. Und der Schwarzwald drum herum, den ich auf dem Panoramawanderweg nur angeschnuppert habe, der reizt mich auch zum wieder kommen, zum Eintauchen in die Wälder dort.

1 Kommentar:

  1. Das deutsche Wort "Gewissen" verrät nicht viel über sich. Anders das lateinische "conscientia", in wörtlicher Übersetzung als "Mitwissen" erkennbar. Offenbar handelt es sich hier um etwas in uns, das als ein Art unbestechlicher Zustandsbeobachter mitprotokollliert, was Wahrheit ist. Etwas, was sich weder durch Verdrängung noch durch Manipulation verändern läßt. Demnach läßt sich das Gewissen auch nicht "erziehen" oder "bilden". Es steckt einfach in uns. Wie auch immer.

    Gewissen als Teil der eigenen Seele. Ich denke, das trifft es ziemlich gut.

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