Sonntag, 6. September 2020

Marlene


Spielzeiteröffnung im Theater Vorpommern. Noch nie bin ich bei einer Spielzeit-Eröffnung gewesen, aber auch noch nie war sie zu so einem späten oder frühen Datum, mitten im Juli. Da sind normalerweise Theaterferien und Open Air-Theater-Aufführungen. Doch Corona macht es möglich. Ich bin froh, dass das Theater wieder auf hat. Der Sitzplan zeigt schön deutlich, wie sich die Zuschauer*innen-Anzahl reduziert hat.



Premiere. The Kraut. Eine Hommage an Marlene Dietrich. Wir haben im Ensemble eine wunderbare Schauspielerin, Claudia Lüftenegger. Sie hat mich 2018 in den Monodramen von den Socken gehauen, seitdem verfolge ich, was sie so macht. Lola blau habe ich das Jahr davor verpasst, da wusste ich noch nicht, wie gut sie ist. Bereits damals hat sie schon angefangen, sich mit Marlene Dietrich zu beschäftigen. Dabei erkenne ich in der Frau, die da zu Beginn des Stückes auf die Bühne kriecht, Marlene Dietrich nicht wieder, eine alte verhutzelte Frau, unschön in ihrer Gebrechlichkeit und Aufgetakeltheit. Marlene Dietrich kurz vor ihrem Tod in ihrem Pariser Apartment. Sie nimmt uns mit auf die Reise durch ihr Leben, vor allem die glanzvollen Dreißiger und Vierziger des letzten Jahrhunderts. Grandios wie Claudia Lüftenegger in diesen Szenen mit weißem Pelzmantel auf der Bühne performt. Ihr Mann, Sebastian Undisz, Musikdirektor am Theater Vorpommern, begleitet sie in der Uniform eines GI am Klavier. Und ermöglicht durch die familiäre Verbundenheit einen Bühnenkuss vom Feinsten 😀. Sie erzählt von ihrem Leben, wie die UFA, wie Goebbels und Hitler sie umschwärmen, wie sie NEIN sagt. Wie sie leidet unter ihrer Familie, Schwester, Schwager, Mutter, die nicht nein sagen, nicht mal leise nein sagten zu den Nazis. Immer wieder unterbrochen von Liedern aus der Zeit,  wirft sie mit Männernamen umher, mit denen sie zusammen war,. Spätestens da wünsche ich mir, ein Programmheft zu haben. Doch das hätte ich mir vorher runterladen müssen, Corona lässt grüßen. 

Am besten ist Claudia Lüftenegger, wenn sie als Marlene Dietrich über die Kolleginnen herzieht, die singenden Schaupielerinnen dieser Zeit nachäfft. Pola Negri, Marikka Rökk, alle bekommen ihr Fett weg. Bissig muss sie gewesen sein, diese Marlene Dietrich. Insofern ist es vielleicht verständlich, dass sie am Ende ihres Lebens so einsam in ihrem Pariser Apartment ist.

Der lange und anhaltende Applaus am Ende des Abends ist völlig berechtigt.


Hipstergetränk als Absacker
im Bürgergarten am Knieperteich


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