Dienstag, 19. März 2019

Dritte Option

Das Personenstandsgesetz ist geändert worden. Neben Frauen und Männern gab es seit längerem die Möglichkeit das Feld freizulassen. Nun gibt es zusätzlich die Möglichkeit divers anzukreuzen. Die Dritte Option hat also gesetzlich eine vierte Option zur Folge. Das hat direkte Auswirkungen auf meine Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte. Von daher freue ich mich, dass die Kollegin an der Hochschule Neubrandenburg eine Fortbildung dazu organisiert hat. Drei Stunde volles Programm zu einer nicht mehr binären Geschlechterwelt. Nicht mehr nur Frauen und Männer, sondern Intersexe jedweder Couleur. Bei Facebook kannst du unter 64 Varianten wählen ...

Es geht darum, Vielfalt, Diversität sichtbar zu machen, unsere oft engen Rollenmodelle zu hinterfragen bzw. zu erweitern. Die vielfältige, reiche Welt abzubilden. Menschen, die nicht unserer Standard-Vorstellung entsprechen, die nicht genormt sind, die Möglichkeit geben, sich zu zeigen, repräsentiert zu werden. Nicht anders zu sein, sondern weitere Facetten des Mensch-Seins zeigen.

3 % der Menschen fallen statistisch unter Inter, davon sind z.zt. 0,5-1% sichtbar bzw. bekannt. Und nur weil ich einen Menschen als männlich oder weiblich lese, heißt das noch lange nicht, dass er oder sie sich selbst auch so sieht. Deutsche Sprache in ihrer Fixiertheit aufs Geschlecht bringt uns da in Teufels Küche. Doch die vorgeschlagene Lösung der beiden jungen Referentinnen ist für mich keine. Nach dem Pronomen zu fragen, mit dem diese Person angesprochen werden will, er, sie oder es, ist mir im Hochschulalltag zu persönlich. Überschreitet für mich Höflichkeitsgrenzen, dringt für mich in den persönlichen Raum einer Person.

Ich lerne noch ein neues Wort. Cisfrau.
Transfrauen sind Frauen. Und die Standardfrau ist eine Cisfrau. Fertig. Beides sind Frauen, ohne das das jetzt noch lange diskutiert werden muss. Ich bin eine Cisfrau.
Für mich ist das so selbstverständlich, dass es mich verwundert, wie sehr es betont wird. In der grossen Gruppe der Frauen gibt es eben Transfrauen und Cisfrauen. Und vermutlich noch ein paar mehr Spielarten, die nur nicht benannt sind. Es gibt zig Möglichkeiten, wie biologisches Geschlecht definiert werden kann, wie soziales Geschlecht gelebt werden kann, und wie beides miteinander verbunden werden kann.

Ich bin eine Cis-Frau. Biologisch und in meiner Selbstwahrnehmung, Selbstzuschreibung.
Sprache erzeugt Bilder in unseren Köpfen. Deshalb ist es so wichtig, Dinge zu benennen, in einen guten Kontext zu bringen. Von daher bin ich überzeugt, dass an dem vieldiskutierten Framing der ARD was dran ist. Sprache ist mächtig, Sprache formt die Wahrnehmung unserer Welt, ich denke an LTI von Klemperer, an GFK von Rosenberg.

Die gesetzliche Einführung eines dritten Geschlechts, die Möglichkeit, ausser männlich oder weiblich was anderes zu sein, eine weitere Option zu haben über das enge binäre Konzept unserer Kultur hinaus, hat für mich, für meine Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte Folgen. Ich leite meine Massnahmen von der unterschiedlichen Repräsentantion der Geschlechter ab. 50 % Frauen in der Bevölkerung heißt für mich - platt gesagt - 50 % Studentinnen, 50 % Mitarbeiterinnen, 50 % Professorinnen. Egal wo, egal in welchem Bereich. Aufgrund der oft kleinen Gruppen akteptiere ich ein Geschlechterverhältnis von 40/60 noch als ausgewogen. Hier kann ich jetzt Raum für eine weitere Gruppe schaffen. Damit ist das Wort Frauenquote aber endgültig obsolet. Um einen gewünschten geschlechtergerechten Proporz zu beschreiben, muss ich vermutlich ein Wort wie Repräsentativquote einführen.

Facebook hat 64 Kategorien Geschlecht zu definieren, gesetzlich gibt es jetzt vier. Die Dritte Option ist ein Sammelbegriff, Gesetze bilden die Realität halt nur grob und unvollkommen ab.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen