Sonntag, 3. März 2019

Random Control

Um in der Stammcrew der Alex mitzuarbeiten, braucht es jede Menge Zertifikate und Schulungen. Schließlich bin ich mit für das Schiff und den guten Ablauf an Bord zuständig. Diesmal wird die Möglichkeit angeboten, eine ISPS-Schulung mitzumachen. Jens, unser zuständiger Nautiker, verabredet sich mit uns im Roten Salon. Wer jetzt an Rotlicht-Milieu denkt, liegt völlig falsch. Zwar sind die roten Polster wirklich ziemlich plüschig, und der Raum hat den Charme einer räudigen Bar, so ist er doch unser Besprechungs- und Schulungsraum für kleinere Gruppen. So treffen wir uns zu fünft und lernen alles über International Ship and Port Facility Security (ISPS), was es zu wissen gibt. Da merkt man sofort, dass Jens im normalen Leben Hochschulprofessor ist. Er geht mit uns den Stoff durch, diskutiert anhand der Folien die Folgen konkret für die Alex, und nimmt souverän eine mündliche Prüfung von uns allen ab.

ISPS meint Sicherheit an Bord und im Hafen. Klar lästern wir immer wieder über Piraten und Piratenalarm, die Alex fährt eher in sicheren Gewässern. Aber vieles, das uns im Bordbetrieb in Fleisch und Blut übergegangen ist, hat mit diesem ISPS zu tun. Für jeden Hafen muss ich einen Wachplan für die Hafenwache erstellen und eine Gangway-Liste ausgeben. Die Gangway- bzw. Hafenwache muss jeden ein- und austragen, der an Bord kommt, bzw. von Bord geht. Dieses ISPS ist als Folge von Nine-eleven eingeführt bzw. verschärft worden. Aber grundlegend macht es Sinn. Keiner weiß, wo du als Schiff vorher gewesen bist, wenn du in den Hafen einläufst. Und umgekehrt will ich auf der Alex auch keinen blinden Passagier finden, oder Sachen transportieren, von denen ich nichts weiß. Wenn Proviant an Bord kommt, packen wir alles um. Aus den Pappkartons in rote Kisten. Zum einen, um keine hässlichen, schwarzen Krabbeltierchen an Bord zu bekommen, aber auch, um die Kontrolle zu haben, was genau an Bord ist.

Jeder Hafen hat ein bestimmtes Sicherheitslevel, und jedes Schiff auch. Die Alex hat in der ganzen Zeit, in der ich auf ihr fahre, immer Sicherheitslevel 1, und die europäischen Häfen, die ich mit der Alex schon angelaufen bin, hatten auch immer Level 1. Die Schulung umfasst zusätzlich das Verhalten, wenn wir unsicher sind oder ein höheres Sicherheitslevel erfordert wird. Unter anderem dann zufällige Stichproben durchzuführen, z.B. jeden vierten, der an Bord kommt, mit dem Metalldektektor abtasten. Und so grinse ich beim Rückflug am Flughafen, als in der Sicherheitsschleuse der Mann zu mir sagt: Random Control. Ich weiß genau, was er meint. Nur zieht er nicht jeden vierten, sondern jeden achten Passagier raus. Am Flughafen heißt es bestimmt nicht ISPS, sondern vermutlich IFAS (International Flight and Airport-Security, habe ich mir so ausgedacht), doch das Prinzip zur Wahrung der Sicherheit ist ja das gleiche.
Ein Plättchen wird an mir entlanggeführt, dazu am Reißverschluß meines Rucksackes und dann in eine Maschine eingegeben. Der Wachmann erklärt mir, dass sie nach Sprengstoff suchen. Random Control. Ich bin ewig nicht mehr genauer kontrolliert worden, weil ich irgendwie harmlos aussehe. Aber statistisch betrachtet ist die Möglichkeit, untypische Täter*innen rauszufischen, natürlich höher mit zufälligen Stichproben. Ich bin clean, also können wir beruhigt nach Hause fliegen.




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