Sonntag, 17. März 2019

Lancashire Cotton Famine

Gestern war mal wieder Bugewitz. Tanzen bis der Arzt kommt. Mit der Band Faustus aus Großbritannien, aus der Nähe von Newcastle. Angekündigt als Dark Folk war es grundsolider englischer Folk mit Fiddle, Akkordeon und Akustik-Gitarre. Lieder aus dem Nordwesten und Südwesten Englands. Was das Besondere war: sie interessieren sich für politische Lieder, für Arbeiterlieder. Und so höre ich zum ersten Mal in meinem Leben von der Lancashire Cotton Famine. In den 1860ern, durch den Bürgerkrieg in den Staaten, kam keine Baumwolle mehr über den Atlantik in die Baumwollspinnereien (Cotton Mills). Dementsprechend wurden alle Arbeiter und Arbeiterinnen entlassen. Famine heißt Hungersnot, dachte ich. Ja, heißt es auch. Es heißt aber auch Verknappung, in Bezug auf Lebensmittel Richtung Hunger, Verelendung. Das Konzert inkl. aller Ansagen war in Englisch, sogar klarem Englisch. Trotzdem, manche Vokabeln, manche Wörter sind mehrdeutig. Vier Millionen Menschen hat diese Lancashire Cotton Famine in England betroffen, ein Fünftel der damaligen Bevölkerung Englands. Erinnert ihr euch noch daran, wie es hier in Vorpommern war, mit 20% und mehr Arbeitslosigkeit?
Und diese Famine "nur", weil die Nordstaaten Amerikas gegen die Südstaaten Krieg geführt haben. Gründe für den Krieg? Abschaffung der Sklaverei. 1861-1865. Vier Millionen Sklaven gab es damals, davon zwei Millionen in den Baumwollfeldern laut Booklet. Eigentlich war die Ursache für diesen Krieg also vielleicht was Gutes, aber Folgen hatte er für die gesamte Welt. Nicht nur für England; auch nach Frankreich wurde damals Baumwolle aus den USA exportiert, auch dort kam die Produktion zum Erliegen. Es wurde dann versucht, in Ägypten und in Indien vermehrt Baumwolle zu produzieren, mit Folgen für die dortige Bevölkerung. Die nicht mehr genug Grundnahrungsmittel produzierten UND nach Beendigung des Sezessionskrieges und der Wiederaufnahme der Baunwollproduktion in den Südstaaten ihre Baumwolle nicht mehr loswurden. Doch das ist eine andere Geschichte.

In England hatten zu dieser Zeit vermehrt Menschen gerade lesen und schreiben gelernt, im Booklet steht, die Lancashire Mill Worker waren die höchst bezahlten Arbeiter in England zu der Zeit, 1860. Alphabetisierung der Arbeiterschaft. So waren sie in der Lage, ihr Leid, ihre Not in Gedichte zu packen, die dann gedruckt wurden. Fünf von diesen über 500 erhaltenen Gedichten hat die Band Faustus vertont und natürlich auch gleich auf dem Konzert vorgetragen. Sie sind Teil eines Forschungsprojektes zu diesen Gedichten.

Ich bin sonst zögerlich mit CDs kaufen. Die Erfahrung sagt, ich höre sie doch nicht wieder. Diesmal jedoch bin ich schwach geworden. Zum einen finde ich das eine der fünf Lieder, Cotton Lords, musikalisch klasse, dazu auch noch tanzbar. Zum anderen beindrucken mich bei zwei Liedern die Texte und die Musik bei einem weiteren Lied. Ein Anti-Kriegslied ist dabei, ein Lied von/über ein junges Arbeitermädchen, ein Schrei um Hilfe gegen den Hunger. Alles Gründe, mir die CD zuhause wieder anzuhören.

Manchmal ist ein Ausflug nach Bugewitz nicht nur gute Musik, sondern auch ein Bildungsprogramm.

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